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       # taz.de -- Chiles Regierungskoalition zerbricht: Rechte in Chile vor dem Aus
       
       > Corona-Hilfen sollen in Chile über private Rentenfonds finanziert werden.
       > Darüber zerstreitet sich die Rechte. Der Koalitionsausschuss ist
       > ausgesetzt.
       
   IMG Bild: Chiles Präsident Sebastián Piñera hat ein Problem. Seine Koalition zerfällt
       
       Buenos Aires taz | Chiles rechte Regierungskoalition steht vor dem Aus.
       „Bei ‚Chile Vamos‘ geht nichts mehr“, erklärte [1][Präsident Sebastián
       Piñera]. Nachdem ihm ein Teil seiner Abgeordneten bei einer Abstimmung im
       Kongress die Gefolgschaft verweigerte, wurde der Koalitionsausschuss “bis
       auf weitere Anweisung“ ausgesetzt.
       
       Piñera selbst hatte zu dem Ungehorsam am meisten beigetragen. Weil er sich
       nicht zu Finanzhilfen für die von der [2][Corona-Pandemie] gebeutelte
       Mittelklasse durchringen konnte, erhielt der Vorschlag für eine kräftigen
       Einmalzahlung aus den privaten Rentenfonds eine immer breitere Zustimmung.
       Den Beitragszahler*innen sollen bis zu zehn Prozent ihrer bisherigen
       Einlagen ausgezahlt werden, so der Vorschlag, der von der kleinen linken
       Federación Regionalista Verde Social sowie einige unabhängigen Abgeordneten
       im Kongress eingebracht wurde.
       
       Allein schon die Tatsache, dass es der Vorschlag auf die Tagesordnung des
       Abgeordnetenhauses schaffte, ließ aufhorchen. Als dann vergangenen Mittwoch
       eine Mehrheit dafür stimmte, schrillten bei den Rechten alle Sirenen. Von
       den 65 Abgeordneten der Regierungskoalition hatten 21 den Vorschlag
       abgelehnt. 31 enthielten sich, 13 Abgeordnete stimmten dafür.
       
       Die Ja-Stimmen kamen aus den zwei stärksten Koalitionsparteien. Neun aus
       der rechtsliberalen Renovación Nacional (RN) und vier aus der
       pinochettreuen Unión Demócrata Independiente (UDI), „Wir müssen über unsere
       Zukunft nachdenken. und das kann Veränderungen bedeuten“, erklärte Andrés
       Molina vom kleinen Koalitionspartner Evópoli nach der Abstimmung.
       
       ## Privates Rentenmodell ist ein Stützpfeiler des Systems
       
       Für Innenminister Gonzalo Blumel droht gar das Ende der konservativen
       Ideale. „Wir haben immer kritisiert, dass der Populismus zur Linken gehört,
       aber jetzt scheint er leider auch unsere Parlamentarier befallen zu haben.“
       Die Abtrünnigen sollten über ihren Austritt aus der Koalition nachdenken,
       verlangte Blumel.
       
       Statt Austritte zu verlangen, sollte die Regierung über einen verbesserten
       Hilfsvorschlag für die Mittelklasse nachdenken, hielt UDI-Senator David
       Sandoval dagegen. In den kommenden Tagen wird der Senat über die Hilfe aus
       den Rentenfonds entscheiden. Auch wenn sich das Oberhaus gegen den
       Vorschlag aussprechen sollte, wird sich der Präsident eine neue
       Koalitionsmehrheit suchen müssen.
       
       Die privaten Rentenfonds sind ein Stützpfeiler des neoliberalen Modells,
       das in der Verfassung festgeschrieben ist. Während der Militärdiktatur von
       Augusto Pinochet wurden sie von dessen Arbeits- und Sozialminister, José
       Piñera, eingerichtet, dem älteren Bruder von Präsident Sebastián Piñera.
       Sechs Privatunternehmen verwalten seither die Fonds, in die die
       Beschäftigten monatlich zehn Prozent ihres Bruttoeinkommens einzahlen. Eine
       staatliche Rentenversicherung gibt es nicht.
       
       Alle Versuche einer grundlegenden Reformierung sind bisher gescheitert. Im
       März 2017 waren landesweit rund zwei Millionen Menschen [3][gegen das
       private Rentenmodell] auf den Straßen, dass keine „anständigen Renten“
       hervorbringe und mit zur Vermögenskonzentration und zur
       Einkommensungleichheit beigetrage. Auch dieser Frust hatte sich bei den
       [4][sozialen Unruhen] im vergangenen Oktober entladen.
       
       14 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
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