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       # taz.de -- Handys katalanischer Politiker gehackt: Einfach mal zuhören
       
       > Politiker aus Katalonien sind ausspioniert worden – mit einem Programm,
       > das nur Staaten besitzen. Spaniens Innenministerium will von nichts
       > wissen.
       
   IMG Bild: Alle mal zuhören bitte: Auch Parlamentspräsident Roger Torrent ist ein Opfer des Hacks
       
       Madrid taz | Die Handys von vier katalanischen Politikern und Aktivisten
       sind 2019 ausspioniert worden. Es handelt sich dabei um die Mobiltelefone
       des Parlamentspräsidenten Roger Torrent, des Parlamentariers der
       Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) Ernest Maragall sowie der im
       Schweizer Exil lebenden Antikapitalistin Ana Gabriel und des Aktivisten
       Jordi Domingo. Dies deckte am Montag [1][die spanische Tageszeitung El País
       zusammen mit dem britischen Guardian] auf. Die beiden Blätter berufen sich
       auf Untersuchungen des kanadischen Citizen Lab, einer Einrichtung für
       Cybersicherheit an der Universität in Toronto.
       
       Die Handys der vier Katalanen gehören zu mindestens 1.400 Geräten, auf
       denen das Programm Pegasus der israelischen Softwareschmiede NSO
       eingeschleust wurde. Pegasus wird ausschließlich an Regierungen und
       Sicherheitsbehörden verkauft und darf, so verlangt es NSO, nur zur
       Bekämpfung des organisierten Verbrechens und von Terrorismus eingesetzt
       werden. Das Unternehmen weigert sich, die Liste ihrer Kunden bekannt zu
       geben. Doch El País will herausgefunden haben, dass der spanische
       Geheimdienst CNI Pegasus besitzt.
       
       Der Verdacht, dass der CNI hinter den Cyberangriffen auf die vier Katalanen
       steckt, liegt deshalb nahe, auch wenn das Innenministerium der
       [2][sozialistisch-linksalternativen Koalitionsregierung unter Pedro
       Sánchez] jedweden Zusammenhang leugnet. Der CNI selbst erklärte, „immer in
       völligem Einvernehmen mit den juristischen Normen und mit völligem Respekt
       vor der gültigen Legalität“ zu handeln.
       
       Pegasus wurde dank einer Sicherheitslücke beim Messengerdienst WhatsApp auf
       die Telefone aufgespielt. Dazu war ein Whatsapp-Anruf nötig, der nicht
       einmal entgegengenommen werden musste. Anschließend haben die Hacker Zugang
       zu allen Daten und Kommunikationen und können Mikrofon und Kamera jederzeit
       einschalten.
       
       ## WhatsApp erstattet Anzeige
       
       Unter den Besitzern infizierter Handys befinden sich – so ergaben die
       Untersuchungen von Citizen Lab – mindestens 100 politische Aktivisten,
       Oppositionelle und unbequeme Journalisten aus Ländern wie Saudi Arabien,
       Mexiko, Marokko, Bahrain, Kasachstan und jetzt auch Spanien. Citizen Lab,
       das mit WhatsApp eng zusammenarbeitet, hat die Betroffenen verständigt. Der
       Messengerdienst, der zu Facebook gehört, hat in den USA gegen NSO
       Strafanzeige erstattet.
       
       Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung, und damit auch die linke Partei
       ERC, die seit 2016 der Koalitionsregierung in Katalonien angehört, stehen
       seit mindestens fünf Jahren unter geheimdienstlicher Beobachtung wegen
       „verfassungsfeindlicher Aktivitäten“. [3][Der katalanische
       Parlamentspräsident Torrent], zweithöchste Amtsperson der autonomen Region
       im spanischen Nordosten, ist ERC-Mitglied und Verfechter der Unabhängigkeit
       Kataloniens.
       
       Der Geheimdienst CNI verstärkte seine Aktivitäten im Vorfeld des
       Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober 2017, das von Madrid verboten
       worden war. Doch trotz größter Anstrengungen konnten weder CNI noch Polizei
       verhindern, dass die Stimmzettel und über 5.000 Urnen rechtzeitig in die
       Wahllokale überall in Katalonien gelangten. 2019 schließlich wurden neun
       Unabhängigkeitspolitiker und -aktivisten wegen Aufruhrs [4][zu Haftstrafen
       von bis zu 13 Jahren verurteilt]. Darunter auch der [5][ERC-Parteichef und
       ehemalige Vizeregierungspräsident Kataloniens, Oriol Junqueras]. Mehrere
       Politiker rund um den einstigen katalanischen Regierungschef Carles
       Puigdemont flohen ins Ausland.
       
       In der Zeit, als Torrent abgehört wurde, musste er als Zeuge im Verfahren
       gegen seinen Parteichef Junqueras und zwölf weitere Angeklagte vor Gericht
       aussagen, und er nahm an einem Treffen mit der Menschenrechtskomissarin des
       Europarates in Straßburg, Dunja Mijatvic, teil. Torrent und Maragall wollen
       jetzt juristische Schritte gegen General Felix Sanz Roldán, der 2019 dem
       CNI vorstand, einleiten. Zehn Parteien, darunter die kleinere der beiden
       Regierungsparteien, die linksalternative Unidas Podemos, verlangen einen
       parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
       
       18 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.theguardian.com/world/2020/jul/13/phone-of-top-catalan-politician-targeted-by-government-grade-spyware
   DIR [2] /Neue-Regierung-in-Spanien/!5650255
   DIR [3] /Neues-Parlament-in-Katalonien/!5475445
   DIR [4] /Urteil-gegen-Unabhaengigkeitspolitiker/!5632950
   DIR [5] /EuGH-Urteil-zu-katalonischem-Politiker/!5651565
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
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