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       # taz.de -- Rechter Terror: Staatsanwälte versetzt: Ausgerechnet unter Rot-Rot-Grün
       
       > Rechte Anschlagserie in Neukölln: Wegen möglicher Befangenheit werden
       > zwei Staatsanwälte strafversetzt. Ein Wochenkommentar.
       
   IMG Bild: Immer wieder demonstrieren Menschen am Hermannplatz in Neukölln gegen rechten Terror
       
       Es war keine gute Woche für Rot-Rot-Grün: Der überraschende Rücktritt von
       Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher am Sonntagabend und der, wie
       sich inzwischen herausstellt, koalitionsintern stark [1][umstrittene
       Karstadt-Deal] vom Montag haben vor allem Grüne und Linke geschwächt.
       
       Aber der richtig große Schlag, dessen Wirkung in Gänze noch gar nicht
       absehbar ist, kam am Mittwochabend: Per Pressemitteilung gab die
       Generalstaatsanwaltschaft bekannt, dass sie die Ermittlungen zur rechten
       Terrorserie in Neukölln an sich zieht und – dramatischer noch – [2][zwei
       ermittelnde Staatsanwälte wegen möglicher Befangenheit in andere
       Abteilungen versetzt].
       
       Seit Jahren verüben wahrscheinlich Neonazis immer wieder Angriffe auf Linke
       und jene, die sie dafür halten, in Neukölln. Fensterscheiben werden mit
       Hakenkreuzen beschmiert, Menschen in Mails bedroht, Briefkästen gesprengt,
       Autos angezündet.
       
       Und obwohl die Namen von Verdächtigen bekannt sind; obwohl die Polizei eine
       eigene Ermittlungsgruppe eingesetzt hat; obwohl Innensenator Andreas Geisel
       (SPD) wiederholt versprach, alles zur Aufklärung zu unternehmen: Bis heute
       wurde niemand deswegen inhaftiert, geschweige denn ein Vorfall aufgeklärt.
       
       ## Ausgerechnet unter einer linken Regierung
       
       Wenn der Grund dafür tatsächlich zwei Staatsanwälte sind, die aufgrund
       ihrer rechten politischen Einstellung alle Aufklärungsversuche verschleppt
       und verhindert haben, wäre das ein riesiger Skandal, der das Vertrauen in
       Polizei und Justiz noch weiter minimieren würde. Die jüngste, auch in
       Deutschland intensiv geführte Debatte um Polizeigewalt und die
       Diskriminierung von Menschen anderer Hautfarbe würde einen weiteren Schub
       erhalten – die Debatte um einen NSU 2.0 ebenfalls.
       
       Aber auch jetzt schon muss sich die Koalition vorwerfen lassen, dass
       ausgerechnet unter einer linken Regierung die Ermittlungen zu lasch und
       wenig nachhaltig verliefen – was für jeden Menschen sichtbar war. Vor allem
       Grüne und SPD müssen fortan mit dem Vorwurf leben, dass sie den von den
       Linken mehrfach geforderten Untersuchungsausschuss als unnötig abgelehnt
       haben. Denn erst eine Fachaufsichtsbeschwerde einer Opferanwältin und der
       daraufhin zufällige Fund belastender Passagen in Protokollen bewegten die
       Generalstaatsanwaltschaft zu diesem Schritt.
       
       Bleibt die Frage, ob ein Untersuchungsausschuss jetzt noch Sinn ergibt.
       Wahrscheinlich nicht. Der Aufwand ist groß, die Zeit bis zum Start des
       Wahlkampf 2021 knapp. Aber wie im Fall Anis Amri sollte der Innensenator
       schnell einen unabhängigen Sonderermittler einsetzen. Seine Arbeit könnte
       dann die Grundlagen bilden für einen Untersuchungsausschuss nach der
       nächsten Wahl im Herbst 2021.
       
       8 Aug 2020
       
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