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       # taz.de -- 70. Geburtstag von Iris Berben: Alter!
       
       > Seit 40 Jahren muss Schauspielerin Iris Berben über ihr Alter reden. Auch
       > jetzt wieder. Langsam sollte Schluss damit sein.
       
   IMG Bild: Iris Berben 2009 in „Es kommt der Tag“
       
       Iris Berben hat auf ein bestimmtes Thema keine Lust mehr: „Ich kann mich
       eigentlich gar nicht mehr erinnern, nicht dauernd auf mein Alter
       angesprochen zu werden“, und dass ihr diese Frage „irgendwann aus dem Arsch
       rauskam“, sagte sie letzte Woche in einem [1][Interview mit der
       Süddeutschen Zeitung] anlässlich ihres 70. Geburtstags. „Wann ging das los,
       dass Sie in Interviews permanent über Alter reden müssen?“, hatte die SZ
       dialektisch-clever gefragt, um damit gleichzeitig Berbens Widerwillen gegen
       das Sujet und das dann anscheinend doch medienimmanente Interesse daran
       einzufangen.
       
       Das Ganze ist umso erstaunlicher, weil ebendiese SZ es besser wissen
       müsste: Anlässlich Berbens 65. Geburtstag hatte sie [2][vor fünf Jahren
       schon einmal] sämtliche, mehr oder minder offen altersdiskriminierenden,
       subtil auf „Fuckability“ abzielenden
       Wie-fühlt-man-sich-denn-als-soooo-alte-Frau-Fragen aufgelistet, die Berben
       in ihrer Karriere als Schauspielerin von deutschen Medien gestellt wurden
       (nach Eigenaussage das erste Mal mit 30).
       
       Aber Moment: Machen wir somit, huch, gerade denselben Fehler, indem wir
       indirekt Iris Berbens Alter (beziehungsweise ihre Unlust auf das Thema)
       diskutieren, anstatt ihre Fähigkeiten als Schauspielerin? Oder springen
       wir für sie in die Bresche und verteidigen sie gegen Lookism, Ageism und
       Sexismus?
       
       Das eine schließt das andere nicht aus. Zum Geburtstag sollte man eindeutig
       das Alter des oder der Jubilar*in ansprechen dürfen, allein schon wegen der
       Kuchenkerzenanzahl, oder bei der Überlegung, Schnaps zu schenken. Zu
       fragen, ob das Alter „ein Problem“ sei, ob man (das werden ausschließlich
       Frauen gefragt) Angst habe, die „erotische Ausstrahlung“ zu verlieren, oder
       im Interview ein ungeliebtes Thema mit der Formulierung einzuleiten, wie
       lange das Thema denn schon ungeliebt sei, das ist allerdings billig.
       
       ## Alles Gute!
       
       Und es wird auch nicht besser, wenn im Hintergrund ein „Sieht gut aus – für
       ihr Alter!“ lauert, das impliziert, dass mit steigendem Alter zwingend die
       Attraktivität abnimmt. Was besagtes SZ-Interview zumindest in der Schwebe
       lässt, indem die Interviewerin zugibt, sie habe „Angst vor Sex im Alter“,
       seit sie „Andreas Dresens,Wolke 9' gesehen“ habe.
       
       Befindlichkeitsfragen à la „Wie alt fühlen Sie sich?“ (aus dem
       SZ-Interview) funktionieren ebenfalls schwerlich als Trick, denn Fühlfragen
       gehören zur leidigen Familie der tendenziösen Berichterstattung, genauso
       wie das markus-lanzige „Was macht das mit Ihnen?“ oder das
       Sportler*innen-Geplänkel „Wie fühlt man sich dabei?“: Beide entstammen der
       Interviewschule, für die „Emotionen einfangen“ Priorität hat, und die außer
       Acht lässt, dass für ein wirklich emotionales Gespräch eine gewisse
       Intimität und ein Interesse auf beiden Seiten vorhanden sein müssen. Aber
       auch das ist ambivalent: Natürlich sind Iris Berbens Aussagen interessant,
       wenn sie ehrlich und authentisch wirken, dabei helfen Emotionen. Wie man’s
       macht, scheint es verkehrt zu sein.
       
       Um nicht in dieselbe Falle zu tappen, hier noch ein herzliches, aber
       sachliches, von Alter, Aussehen und Gender völlig unabhängiges Lob an Iris
       Berben, die Schauspielerin: In Susanne Schneiders Drama „Es kommt der Tag“
       spielte Berben 2009 eine ehemalige Terroristin im Untergrund, die
       unerwartet Besuch bekommt. Ihre leibliche Tochter, die sie als Kleinkind
       zur Adoption freigegeben hatte, steht plötzlich auf der Matte des
       französischen Weinguts, auf das sich Berbens Charakter zurückgezogen hatte.
       Berben spielt den Mutter-Tochter-Konflikt mit ernster, aufrichtiger
       Dringlichkeit. Wir wünschen ihr zum Geburtstag, dass noch viele solcher
       Rollen anstehen. Und dass nie, nie, nie mehr jemand „Alt, aber oho!“ sagt,
       oder, noch schlimmer (aber auch lustig): „Wenn alte Scheunen brennen …“
       
       12 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.sueddeutsche.de/leben/iris-berben-interview-1.4991487?reduced=true
   DIR [2] https://sz-magazin.sueddeutsche.de/film-und-kino/iris-berben-alter-81531
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jenni Zylka
       
       ## TAGS
       
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