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       # taz.de -- Kulturwirtschaft in Bremen: Prekär, prekärer, Corona
       
       > Eine Studie zeichnet ein fragiles Bild der Bremer Kulturwirtschaft. Seit
       > Corona leben viele Künstler*innen und Journalist*innen von Hilfsgeldern.
       
   IMG Bild: Ausgebremste Kultur: Fenster der Bremer Kunsthalle während des Lockdowns Ende März 2020
       
       taz | Bremen | Von etwa 25 Bremer Beschäftigten arbeitet eine*r im Kultur-
       und Medienbetrieb. 19.000 Menschen sind das, Schauspieler*innen und
       bildende Künstler*innen, aber auch Journalist*innen oder Grafiker*innen.
       2018 erwirtschafteten sie eine Milliarde Euro.
       
       Erheben lassen hat diese Zahlen die Arbeitnehmerkammer Bremen, noch vor
       Corona wurde die Studie zu Arbeitsbedingungen in der Branche in Auftrag
       gegeben. Am Mittwoch [1][wurden erste Ergebnisse in einer
       Online-Veranstaltung vorgestellt], ergänzt um Berichte zur aktuellen Lage.
       Prekär, die Studie spricht von „fragil“, waren die Verhältnisse in der
       Kulturszene schon immer; nun sind viele Beschäftigte gänzlich auf
       Hilfesysteme angewiesen.
       
       „Ab März wurde alles abgesagt“, erzählt die freie darstellende
       [2][Künstlerin Uli Baumann] per Videoschalte. „Jegliche Auftritte wurden
       storniert, das geht bei mir bis zum Jahresende.“ Sie gehört damit zu den
       acht Prozent Künstler*innen, die [3][laut einer Umfrage des
       Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft] 2020 Umsatzverluste
       zwischen 90 und 100 Prozent erwarten. 85 Prozent gehen von Verlusten
       zwischen 25 und 90 Prozent aus.
       
       Was tatsächlich passiert, ist mit gängigen Wirtschaftsstatistiken schwer
       abzusehen, Schätzungen gibt es aber. In der Gastronomie gingen die Umsätze
       um 75 Prozent zurück. „In der Kultur- und Veranstaltungsbranche ist sie
       wohl in ähnlichem Maße eingebrochen“, vermutet einer der beiden
       Studienautoren, der Kulturwirtschaftsforscher Michael Söndermann.
       
       ## Landesprogramm hält Künstler*innen über Wasser
       
       Die Aussichten für Künstler*innen, sie wären eher dunkel als düster, wenn
       sie sich in dieser Lage allein auf den Bund verlassen müssten; nur 26
       Prozent der Beschäftigten im Bremer Kulturbereich haben vor Corona in
       Vollzeit als Angestellte gearbeitet – Kurzarbeitergeld ist damit nur für
       etwa ein Viertel der Beschäftigten attraktiv und für viele andere schlicht
       nicht ausreichend.
       
       Wer als Selbständige*r, Minijobber*in oder Teilzeitbeschäftigte*r
       stattdessen aufs Jobcenter angewiesen wäre, hätte oftmals ein zusätzliches
       Problem: „Viele Kulturschaffende haben ihr Geschäftsmodell auf einer
       Lebenspartnerschaft aufgebaut“, so Söndermann. Unterstützung vom Jobcenter
       bleibt aber aus, wenn Partner*innen genug verdienen.
       
       Die reale Lage in Bremen wird abgefedert; [4][viele Länder haben für ihre
       Kulturschaffenden weitergehende Programme] als der Bund aufgelegt, in
       Bremen wird die Not über die Künstler-Soforthilfe abgefedert. Seit April
       konnten Künstler*innen, verteilt auf zwei Chargen, insgesamt 5.000 Euro für
       den Zeitraum bis Ende August beantragen. Ausreichend ist das Geld oft
       nicht, Schauspielerin Baumann etwa muss zusätzlich an ihre Reserven: „Vor
       Corona habe ich mehr verdient – und die Nebenkosten laufen ja weiter.“
       
       Unzufrieden ist sie trotzdem nicht: „In anderen Ländern beneidet man uns.
       Es hat sich ausgezahlt, dass es in Bremen schon vorher einen engen Dialog
       mit der Politik gab.“ Der Bremer Bürgermeister etwa ist traditionell auch
       Kultursenator.
       
       Für das Bundesland hatte der [5][Kulturförderbericht schon 2018 Schwächen
       der öffentlichen Förderstrategien aufgezeigt], im aktuellen Haushalt wurden
       deshalb fünf Millionen Euro mehr für den Kulturetat eingeplant. „Dann kam
       Corona“, so Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz, „und wir mussten alles neu
       bearbeiten.“
       
       Eine Branche, die dabei nicht vom Hilfsprogramm profitiert, ist der
       Medienbereich. Journalist*innen sind explizit von der Künstler-Soforthilfe
       ausgenommen. Dabei trifft Corona viele von ihnen, das zeigt auch die
       Arbeitnehmerkammer-Studie, in einer ohnehin fragilen Lage.
       
       3.257 Menschen arbeiten im Bremer Pressemarkt. Auch wenn knapp die Hälfte
       davon nur Minijobs haben (46 Prozent – viele von ihnen sind vermutlich
       Zeitungsausträger*innen), ist die Bedeutung der Branche groß. Innerhalb der
       Kultur- und Kreativwirtschaft bietet sie die zweitmeisten Jobs – die Studie
       legt wohl auch deshalb einen Schwerpunkt auf diesen Sektor.
       
       Die Branche steckt tief in der Krise. Die Ursachen sind bekannt:
       Anzeigeneinnahmen sinken und Leser*innen zahlen online meist weniger
       bereitwillig. In der Folge wird Personal eingespart, der Arbeitsdruck
       lastet auf immer weniger Schultern.
       
       In Bremer Zeitungsverlagen ist von 2010 bis 2018 das Personal in allen
       Beschäftigungsformen gesunken, Vollzeitstellen haben um 7,9 Prozent
       abgenommen (und machen nun 21 Prozent der Beschäftigten dort aus),
       Teilzeitstellen sind um 28,9 Prozent gesunken (auf 18 Prozent aller
       Beschäftigten). Die Zahl der kurzfristig Beschäftigten, viele von Ihnen
       freie Mitarbeiter, ist gar um 76 Prozent gesunken; sie machen nun noch 15
       Prozent der Beschäftigten in Zeitungsverlagen aus.
       
       Besonders diese Freien sind durch Corona existenziell gefährdet: Viele
       Auftraggeber fallen ganz weg. Denn Unternehmen, die wie der Weser-Kurier
       Kurzarbeit für Ihre Mitarbeiter*innen angemeldet haben, dürfen nicht
       nebenher Freie beschäftigen. Von durchschnittlich 2.470 Euro ist das
       Einkommen freier Journalist*innen auf 780 Euro gesunken, zeigt eine Umfrage
       des Deutschen Journalisten-Verbandes vom Mai 2020.
       
       Die Künstler-Soforthilfen sollen in Bremen in den Herbst hinein verlängert
       werden, das sagt Emigholz im Online-Podium zu. Eventuell könnte es dann
       auch Hilfe für darbende Journalist*innen geben: „Ich habe kein Problem
       damit, Journalisten zu fördern“, so die Kulturstaatsrätin.
       
       Für Baumann wäre noch etwas anderes wichtig: Die [6][Rettung von Clubs] und
       anderen Veranstaltungsorten. Deren Zukunft hängt eng mit ihrer eigenen
       zusammen. „Der Kunst- und Kulturmarkt ist eine stark verzweigte Kette“,
       betont Söndermann. Wo ein Akteur wegbricht, könne ein ganzes Kartenhaus
       zusammenfallen.
       
       14 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://nextmoderator.net/4F232A1F3A2F1002A121F2M2515T211FA34TTAT5AATMAMTM/default.aspx
   DIR [2] /Was-anders-ist-Es-betrifft-alle-gleichzeitig/!5668742/
   DIR [3] https://www.kulturrat.de/wp-content/uploads/2020/05/200527_Verba%CC%88ndeumfrage_KKW.pdf
   DIR [4] /Coronahilfen-fuer-freie-Kuenstler/!5679901/
   DIR [5] /Mehr-Kohle-fuer-die-Kunst/!5557368/
   DIR [6] /Clubs-in-der-Coronakrise/!5701611/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lotta Drügemöller
       
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