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       # taz.de -- Knorr benennt „Zigeunersauce“ um: Kulturkampf aus der Flasche
       
       > Deutschland liebt den Kampf um Deutungshoheit, wie die Auseinandersetzung
       > über den Namen einer Knorr-Sauce erneut zeigt. Das hat historische
       > Gründe.
       
   IMG Bild: Das Kulinarische ist politisch: Speise in einem Biergarten
       
       Kein Kulturkampf ohne Deutschland. Logisch. Denn Deutschland ist ein Land,
       dessen Blick in die eigene Vergangenheit vor allem von zwei eigens
       verschuldeten, zerstörerischen Weltkriegen, der Schoah, [1][der Tötung von
       Roma, Sinti] und anderen geprägt ist. Woraus kann ein solches Land schon
       Kultur schöpfen?
       
       In einer Zeit, in der die Globalisierung nicht nur, aber auch Deutsche
       verunsichert, in der diese Globalisierung Menschen auch vor tatsächliche
       soziale Herausforderungen stellt, sehnen sich die Betroffenen aber gerade
       nach Kultur, einer Geschichte, einer Erzählung des Eigenen. Auch der
       Nachkriegsdeutsche, der sich nach den beiden barbarischen Kriegen den
       universellen Werten der Aufklärung verpflichten musste, sich teils auch aus
       Überzeugung verpflichtete, sehnt sich danach.
       
       Weil er aber, wie schon gesagt, kaum Menschliches findet, wenn er in seiner
       Geschichte herumkramt, um eine eigene Erzählung zu basteln, kämpft er
       aktuell um die Kultur aus der Flasche. Der Heilbronner
       Lebensmittelhersteller Knorr hat am Sonntag bekanntgegeben, dass er die
       bisher als „Zigeunersauce“ bekannte Sauce mit Tomaten-, Paprika- und
       Zwiebelstücken in „Paprikasauce Ungarische Art“ umbenennen werde. Weil der
       ursprüngliche Name „negativ interpretiert“ werden könne. Natürlich war es
       die Bild am Sonntag, die darüber als eine der ersten ausführlich
       berichtete.
       
       Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats der Deutschen Sinti und Roma,
       [2][äußerte sich gegenüber dem Blatt] der Gegenaufklärung zustimmend, weil
       hier offenbar auf Beschwerden vieler Menschen reagiert worden sei. Er
       verwies zugleich auf den wachsenden Antiziganismus in Deutschland und
       Europa.
       
       Die Berichterstattung erreichte ihr mutmaßliches Ziel: Der Kampf um die
       Saucenkultur trendete noch am Montagnachmittag auf Twitter. Auf den Inhalt
       der dort geäußerten Tweets soll an dieser Stelle aus Verbundenheit mit den
       Werten der Aufklärung verzichtet werden. Ein Umstand stimmt aber zutiefst
       nachdenklich: wie sich ein verängstigter Teil Nachkriegsdeutschlands
       obsessiv an den Namen einer Sauce klammert, deren Bedeutung er in der
       Auseinandersetzung selbst relativiert, um dann erbost und errötet
       sprachverteidigungspolitisch aufzubegehren.
       
       17 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Erinnerung-an-ermordete-Sinti-und-Roma/!5687996
   DIR [2] https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/wegen-rassismus-diskussionen-knorr-benennt-zigeunersauce-um-72409712.bild.html
       
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