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       # taz.de -- Erster Schultag in der Testschlange: Wer ist hier eigentlich das Schaf?
       
       > Vor dem Coronatest beschallt jemand die Wartenden mit
       > Verschwörungsmythen. Ein kleines Lob an die, die so etwas trotzdem auf
       > sich nehmen.
       
   IMG Bild: Jo, tschüss denn: Der Autor un sin Fru, Tochter eins und Tochter zwei (vrnl)
       
       Eigentlich habe ich keine Zeit, um diese Kolumne zu schreiben. Eigentlich
       müsste meine Frau in der Schule sein, Tochter zwei in der Kita. Und
       eigentlich hätte Tochter eins heute ihren ersten Schultag. Aber: Eigentlich
       sind sie erkältet. Am Wochenende ging es los. Husten, Schnupfen. Ganz
       normal. Nur halt jetzt gerade nicht. Und so steh ich hier am Montagmorgen
       um viertel vor neun mit meinen Kindern und 50 anderen Menschen und
       blockiere Straße und Gehweg, um am Fenster einer Arztpraxis auf Corona
       getestet zu werden. Die Ersten kommen schon vorbei, gucken nur entsetzt und
       drehen wieder ab. Bald gibt es weiter hinten Streit um die Plätze.
       
       Wie soll das erst laufen, wenn es nicht mehr 20 Grad am Morgen sind und es
       womöglich viel mehr abzuklärende Fälle gibt? Und dann beschallt auch noch
       irgendjemand aus dem vierten Stock des gegenüberliegenden Hauses die
       Wartenden mit [1][Verschwörungsmythen zu Covid-19]: Alles Lüge, das Virus
       ist total ungefährlich, Mainstream-Presse, Corona-Regime.
       
       Alles schon [2][hundertmal gehört]. Alles schon tausendmal widerlegt. Und
       es hat nie Zoom gemacht. Und während die Sonne langsam ein bisschen brennt
       und ich immer noch warte, frage ich mich: Wer ist hier eigentlich das
       Schaf? Wer macht es sich leicht? Die, die hier unten stehen, das Virus
       ernst nehmen und gleichzeitig die langweiligste Beschallung der Welt über
       sich ergehen lassen müssen?
       
       Es bricht mir das Herz, dass meine Tochter, die sich so sehr darauf gefreut
       hat, heute nicht in die Schule gehen kann. Sie wollte so gerne neue
       Freundinnen und Freunde kennenlernen. Tja, heute nicht. Und morgen auch
       nicht.
       
       ## Es kostet Kraft
       
       Es kostet Kraft, zwei Kinder bei gut 30 Grad zu Hause zu betreuen. Es tut
       meiner Frau und mir leid, dass wir nicht voll arbeiten können an diesen
       Tagen. Hätten wir einfach die Klappe gehalten. Hätten wir die Kinder
       einfach in der Schule und der Kita abgegeben und wären zur Arbeit gefahren
       – niemand hätte nachgefragt. Es wäre so leicht gewesen, das eigene
       Interesse über das Allgemeinwohl zu stellen. Deswegen – und wegen der
       starken Fokussierung auf die, die zetern und brüllen – an dieser Stelle mal
       ein kleines unbedeutendes Lob an all jene, die vieles auf sich nehmen, um
       die Verbreitung des Virus, Schul- und Kitaschließungen und neue strenge
       Kontaktbeschränkungen zu verhindern.
       
       Es ist manchmal schwer. Ich weiß es. Deshalb: Danke! Und wo ich eingangs
       schon beim Thema keine Zeit haben war: Zukünftig werde ich wieder ein
       bisschen mehr davon haben. Dies war – nach fünf Jahren – die letzte „Nach
       Geburt“-Kolumne. Und bevor mir hier das Mikro abgedreht wird, möchte ich
       mich bei meinen Töchtern und meiner Frau bedanken (die sind wirklich sehr
       gut) und mich von Ihnen, liebe Leser*innen, verabschieden – mit den
       wärmsten Abschiedsworten, die ich in Husum gelernt habe:
       
       Jo, tschüss denn, nä!
       
       18 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Hamburger-Demo-gegen-Corona-Massnahmen/!5702206&s=covid/
   DIR [2] /Coronaproteste-in-Berlin/!5705179&s=verschw%C3%B6rung+corona/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürn Kruse
       
       ## TAGS
       
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