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       # taz.de -- Flüchtlings-Razzien nur mit Richter*in: Wohnzimmer bleibt Schutzraum
       
       > Nächtliche Polizeiaktionen in Flüchtlingsunterkünften sind ohne
       > Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig. Das entschied das
       > Oberverwaltungsgericht Hamburg.
       
   IMG Bild: Hausdurchsuchungen gehen klar – aber nur mit Durchsuchungsbeschluss
       
       Hamburg taz | Nächtliche Razzien von Ausländerbehörde und Polizei in
       Wohnunterkünften für Geflüchtete, um Ausreisepflichtige aufzustöbern, sind
       ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss im Prinzip rechtswidrig. Das
       bestätigte am Dienstag das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (OVG) und
       wies die Klage des Einwohnerzentralamts der Hansestadt gegen [1][ein Urteil
       des Verwaltungsgerichts vom Februar 2019] zurück, das die kirchliche
       Flüchtlingshilfe Fluchtpunkt angestrengt hatte.
       
       „Das Verwaltungsgerichtsurteil hat Bestand“, erklärte OVG-Sprecher Max Plog
       der taz. „Wir haben die Bestätigung bekommen, dass es keine Erlaubnis gibt,
       in Wohnräume von Flüchtlingen einfach einzudringen“, sagt
       Fluchtpunkt-Leiterin Anne Harms der taz.
       
       Das Verwaltungsgericht hatte sich in seinem Grundsatzbeschluss auf die
       Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berufen, demzufolge
       Flüchtlingsunterkünfte als Schutzräume gedacht seien, in denen sich
       „räumliche Sphäre“ und „Privatleben entfalten“ sollen. Deshalb seien sie
       als geschützte Wohnung nach Artikel 13 Grundgesetz anzusehen.
       
       In dem konkreten Fall ging es um eine jesidische Familie aus dem Irak, die
       nach dem Dublin-III-Abkommen in die Niederlande abgeschoben werden sollte
       und in der Flüchtlingsunterkunft Neuer Curslacker Deich wohnte. Das
       Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte ihren Asylantrag verworfen,
       weil die Familie zunächst in Holland Asyl beantragt hatte.
       
       Die Beamten verschafften sich mit einem Universalschlüssel, den ihnen
       Fördern und Wohnen, der städtische Träger der Unterkunft, zur Verfügung
       stellte, Zutritt zum Container mit den beiden Wohnzimmern und überraschten
       die Familie im Schlaf. Die durfte auf die Schnelle nur das Notwendigste
       zusammenpacken, die Möglichkeit einen Rechtsbeistand zu Hilfe zu holen, gab
       es nicht. Die Abschiebung misslang teilweise, weil die Frau hochschwanger
       war.
       
       ## Behörde spricht nur von einer „Begehung“
       
       Vor dem Verwaltungsgericht argumentierte das für die Hamburger
       Ausländerbehörde zuständige Einwohnerzentralamt, dass die Razzia nach dem
       hamburgischen Vollstreckungsrecht auch ohne richterliche Anordnung zulässig
       gewesen sei und dass es sich bei der nächtlichen Polizeiaktion nicht um
       eine „Durchsuchung“ im förmlichen Sinne gehandelt habe, sondern lediglich
       um eine „Begehung“. Durch diese „Nachschau“ habe sichergestellt werden
       sollen, dass sich alle Ausreisepflichtigen in dem Container befanden.
       
       Das ließ das Verwaltungsgericht nicht gelten. Ungeachtet der Frage, wie
       intensiv das Durchstöbern der Wohnung gewesen sei, sei bereits das
       [2][Eindringen in die Wohnräume ohne Einwilligung der Betroffenen] laut
       Artikel 13 des Grundgesetzes ein Verstoß gegen den Grundsatz der
       Unverletzbarkeit der Wohnung, urteilten die VerwaltungsrichterInnen. Anders
       als eine Justizvollzugsanstalt gelte eine Erstaufnahmeeinrichtung nicht als
       geschlossene Einrichtung. „Das Asylgesetz verwendet selbst den Begriff des
       Wohnens“, konstatiert das Gericht.
       
       20 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.rechtsprechung-hamburg.de/jportal/portal/page/bsharprod.psml?doc.id=MWRE190001080&st=ent&doctyp=juris-r&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint
   DIR [2] /Rechtmaessigkeit-von-Abschiebungen/!5626633/
       
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   DIR Kai von Appen
       
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