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       # taz.de -- UN-Sondertribunal zum Hariri-Mord: Als sei nichts gewesen
       
       > Das Urteil zum Mord am libanesischen Ex-Regierungschef Hariri wird für
       > die Täter und Strippenzieher dahinter folgenlos bleiben – leider.
       
   IMG Bild: Der Anschlag auf Rafik Hariri im Februar 2005
       
       Es hat fast etwas Ironisches: Die monströse Explosion im [1][Hafen der
       libanesischen Hauptstadt Beirut] hat aller Welt vor Augen geführt, dass das
       haarsträubende System von Straflosigkeit, das [2][im Libanon] wie in so
       vielen korruptionsgeplagten Staaten herrscht, ein Ende haben muss. Um
       ähnliche Katastrophen in Zukunft zu vermeiden, müssen die Verantwortlichen
       ermittelt, vor Gericht gestellt und der geltenden Rechtslage gemäß bestraft
       werden.
       
       Doch just am Dienstag, als die Toten gerade erst begraben und die Trümmer
       noch nicht einmal beseitigt waren, kam ein seit Jahren erwartetes Urteil,
       das ebenjene Straflosigkeit nicht wirklich beendet, sondern fast noch
       anfeuert: Zwar wurde einer von vier Angeklagten in dem [3][Prozess um den
       Mord an dem ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri vor
       einem UN-Sondertribunal] in den Niederlanden schuldig gesprochen. Doch
       ebenso wie die anderen Angeklagten war er nicht anwesend. Alle vier sind
       seit Jahren flüchtig.
       
       Folgen wird das Urteil für ihn damit ebenso wenig haben wie für die
       mutmaßlichen Strippenzieher, die viele in den Reihen der [4][Hisbollah] und
       des mit ihr verbündeten syrischen Regimes sehen. Die Hisbollah erklärte
       schon am Freitag, bevor das Urteil überhaupt verlesen war, dass sie es
       nicht anerkennen werde. „Für uns wird es so sein, als wäre es niemals
       gefällt worden“, brachte Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah es ganz richtig
       auf den Punkt.
       
       Zwar haben die Ermittlungen Licht ins Dunkel gebracht, wie der Mord geplant
       und ausgeführt wurde. Am System der Straflosigkeit aber hat das aufwendige
       und kostspielige UN-Sondertribunal kaum gekratzt. Im Zweifelsfall wird das
       Urteil in Zukunft niemanden davon abhalten, PolitikerInnen zu ermorden, um
       politische Ziele durchzusetzen.
       
       Man kann nur hoffen, dass Libanons Protestbewegung den Druck aufrechterhält
       und tatsächlich einen grundlegenden Wandel einleitet, der auch die
       Unabhängigkeit des libanesischen Justizsystems sichert. Im Falle der
       Hafenkatastrophe glaubt derzeit kaum jemand daran, dass sie vollends
       aufgeklärt wird. Das Hariri-Tribunal ermutigt leider nicht dazu, auch in
       diesem Fall nach einer internationalen Untersuchung zu rufen.
       
       19 Aug 2020
       
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   DIR Jannis Hagmann
       
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