# taz.de -- Wie Thomas Müller den FC Bayern lenkt: Ohne Sendepause
> Quasselstrippe Thomas Müller ist beim FC Bayern unverzichtbarer denn je.
> Als Kommunikationszentrale ist er auch gegen Olympique Lyon gefragt.
IMG Bild: Großes Spielverständnis: Thomas Müller weist öfter mal den Kollegen den Weg
Thomas Müller kann nicht anders, er muss es einfach machen. Fast immer und
überall. Vor und nach dem Spiel, das weiß man ja schon lange. Dass er es
auch permanent macht, während er auf dem Platz steht, ließ sich bis zur
Coronapause zwar erahnen, aber eine Bestätigung brachte erst die
Geisterspielkulisse, das akustische Erlebnis in einem fast leeren
Fußballstadion. Niemand beim FC Bayern redet so viel in 90 Minuten wie
Müller.
Natürlich ist es Mentalitätssache, Müller war schon immer ein
kommunikativer Typ. Hermann Gerland, aktuell Co-Trainer von Hansi Flick und
als Coach der zweiten Mannschaft einst Förderer des Oberbayern, nennt ihn
deshalb gerne „Radio Müller“. Aber es mag auch mit seiner Position zu tun
haben. Als zentraler offensiver Mittelfeldmann ist der Weltmeister von 2014
Dreh- und Angelpunkt, der Taktgeber im Bayern-Spiel. „Wenn er etwas sagt“,
lobte Sky-Experte Lothar Matthäus neulich, „hören alle Spieler zu“, auf dem
Platz und außerhalb. Auf Müller wird es auch im Champions-League-Halbfinale
gegen Olympique Lyon in Lissabon ankommen. Als „Signalgeber für unser
Pressing“ bezeichnete ihn Flick [1][nach dem 8:2 gegen den FC Barcelona] am
vergangenen Freitag. „Das macht er einfach hervorragend.“
Es gibt beim FC Bayern in Moment viele Spieler der Stunde. Alphonso Davies
ist so einer. Sein herrliches Solo vor dem 5:2 hat den schon schwer
angeschlagenen Katalanen den endgültigen K. o. versetzt. Oder Ivan Perišić,
die Leihgabe von Inter Mailand, ist in die Stammelf gerutscht und darf
womöglich im Gegensatz zu Philippe Coutinho beim FC Bayern bleiben. „Er
ist ein Spieler, der physisch sehr stark ist, der einen guten Antritt und
auch einen guten Schuss hat, aber auch immer wieder defensiv mithilft“,
sagt Flick. Und Jérôme Boateng, weil er wieder wie der frühere Jérôme
Boateng spielt. Müller spielt vielleicht sogar auf einem noch höheren
Niveau als vor sechs, sieben Jahren. Er sei, sagte Flick, „der verlängerte
Arm vom Trainer“.
Müller folgt seither eher seinem Instinkt als Anweisungen – und damit kann
nicht jeder Trainer etwas anfangen. Pep Guardiola hatte einst eine Weile
gebraucht, um Müllers Qualitäten schätzen zu lernen, und womöglich war ihm
dieser Freigeist doch immer ein wenig zu frei für sein straffes Konzept.
Niko Kovač kapiert vermutlich bis heute nicht, wie wichtig der Weltmeister
von 2014 für das Bayern-Spiel ist – und nicht nur, „wenn Not am Mann ist“,
wie er kurz vor seiner Entlassung in München gesagt hatte.
## Taktisches Gefühl
Jetzt scheinen sich die Anweisungen des Trainer mit dem Instinkt des
Spielers zu decken. Seit Flick Anfang November das Traineramt bei Bayern
übernommen hat, ging es mit Müller bergauf. Der Trainer, sagte der
30-Jährige neulich in der Süddeutschen Zeitung, habe die Spieler, „die er
für die Kommunikationssache braucht, bewusst stark gemacht“. Flick hat sich
dafür Müller nicht nur wegen seiner Redseligkeit ausgesucht, sondern weil
der „taktisch ein sehr gutes Gefühl“ habe. Kein Wunder, dass wieder einmal
der Ruf nach einer Rückkehr in die Nationalmannschaft, aus der ihn
[2][Joachim Löw vor eineinhalb Jahren gestrichen hat], laut wird.
Müller ist mit 113 Einsätzen deutscher Champions-League-Rekordspieler, hat
gegen Barcelona seinen früheren Teamkollegen Philipp Lahm überholt und
wurde zum „Man oft the Match“ gekürt. Schon in der Bundesliga war als
bester Vorlagengeber (21) ausgezeichnet worden.
Aber Rekorde sind für Müller Nebensache. „Wichtig ist, dass sich jeder
quält“, sagt er und fügte mit Blick auf die Partie gegen Lyon an: „Wir
wissen, dass wir in super Verfassung sind, aber wir wissen auch, dass wir
keinen Gegner dieser Welt komplett lahmlegen können, ohne dass wir wieder
an die Grenze gehen.“ Müller versteht sich vor allem als Dienstleister,
aber als einer mit Führungsqualitäten.
19 Aug 2020
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## AUTOREN
DIR Elisabeth Schlammerl
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