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       # taz.de -- Nikotine verursachen Vogelsterben: Ein Genuss, der tötet
       
       > Ungesund für Mensch und Tier, vor allem in der Pandemie: Warum
       > Nikotin-Konsum nicht nur das Coronavirus verbreitet, sondern auch Vögel
       > tötet.
       
   IMG Bild: Ohne Abstand inzwischen verboten: Rauchen auf Gran Canaria
       
       Nikotin tötet. Ein Satz, der sich abtun ließe als moralistischer
       Vorschlaghammer, der sich im Namen [1][des abstrakten Gesundheitsregimes]
       durch die fragile Genusswelt pflügt – und den Alltag auf den Straßen, in
       den Büros und Cafés, in den Serien und Filmen in klinische Nicht-Orte
       verwandelt hat.
       
       Oder als fortschrittliche Einsicht, der selbst die letzten chauvinistischen
       Nostalgiker aus einer Zeit vollgequalmter Züge klargemacht hat, dass der
       individuelle Nikotinkonsum direkte Auswirkungen auf die kollektive
       Gesundheit hat. Und im Anthropozän, dem Menschenzeitalter, in dem alles mit
       allem zusammenhängt, also auch indirekt, muss jene Gesundheit immer auch
       das nicht-menschliche einbeziehen.
       
       So gibt es längst einen anderen, indirekten Kriegsschauplatz des
       Nervengifts Nikotin, der bislang jedoch wenig erforscht war. Vor kurzem
       fand ein Wissenschafsteam in einer Studie, die [2][im Magazin Nature
       Sustainability] publiziert wurde, heraus, dass die Verwendung von
       Neonicotinoiden in Pestiziden nicht nur zum verheerenden [3][globalen
       Bienensterben] beiträgt, sondern auch von Vögeln.
       
       Sie nähmen die Stoffe über Getreidesamen und Insekten auf, was in den USA
       zwischen 2008 und 2014 zu einem erheblichen Rückgang der Vogelbiodiversität
       geführt habe. Jedes Jahr würden rund 12 Prozent der Wiesenvögel und 5
       Prozent der insektenfressende Vögel an den Folgen der Pestizide sterben.
       
       ## 300 mal am Tag den Finger am Mund
       
       Dass Insekten kontaminiert sind, liegt daran, dass auch ihre Rezeptoren
       stark auf das Nervensystem wirken und bevorzugt Pflanzen fressen, die
       Nikotinspuren enthalten.
       
       Es gibt noch eine weitere schlechte Nachricht für die Nikotinlobby. Weil
       Raucher*innen mit ihrem Ausatmen besonders oft Aerosole ausstoßen, hat
       Spanien, immerhin [4][eine traditionell rauch-affine Nation], kürzlich ein
       Rauchverbot für die meisten öffentlichen Orte im Freien verhängt.
       
       Zudem sei die Infektionsgefahr laut des Lungenarztes Carlos Jiménez, dessen
       Organisation das Verbot maßgeblich voranbrachte, unter
       Nikotinliebhaber*innen größer, weil sie ihre Finger rund 300 mal pro Tag an
       den Mund führten – und dabei natürlich auch keine Maske trügen.
       
       Um jetzt nicht ebenfalls per Vorschlaghammer den gesamten Genuss des Giftes
       zu verbieten, ließe sich die zynische Gunst der Pandemie vielleicht nutzen,
       um auch den tumbsten Ignorant*innen klarzumachen, dass die Ursachen der
       ganzen Miseren, sei es das Virus, der Qualm oder der Klimawandel, nicht nur
       von außen kommt, sondern auch in jeder Person selbst steckt. Alles hängt
       mit allem zusammen.
       
       20 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kolumne-Gehts-noch/!5608265
   DIR [2] https://www.nature.com/articles/s41893-020-0582-x
   DIR [3] /Imkern-als-Hobby/!5664992
   DIR [4] /Nach-Einstufung-zum-Risikogebiet/!5702602
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Philipp Rhensius
       
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