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       # taz.de -- Ugandas legendärer Hürdenspezialist: Der verhasste Held
       
       > Mit seiner Rekordzeit über 400 Meter Hürden 1972 würde John Akii-Bua noch
       > heute fast jedes Sportfest gewinnen. Aus seiner Heimat musste er fliehen.
       
   IMG Bild: Auf Weltrekordkurs: Ugandas Hürdenläufer John Akii Bua bei den Olympischen Spielen in München
       
       Mein Chef hatte wohl eine Ahnung. Deswegen schickte er mich nach Hengelo.
       Dort sollte Kenenisa Bekele laufen. Ich fuhr also nach Holland und sah, wie
       der Äthiopier einen fantastischen neuen Weltrekord über 5.000 Meter
       aufstellte. Sein Manager, Jos Hermens, war ganz aus dem Häuschen. Und es
       kam noch besser: Wenig später rannte Bekele bei einem anderen
       Leichtathletikmeeting auch über 10.000 Meter so schnell wie noch keiner vor
       ihm. Daran musste ich denken, als Bekeles Rekord jetzt nach über 16 Jahren
       gebrochen wurde – von einem Mann aus Uganda.
       
       [1][Joshua Cheptegei] lief in Monaco fast zwei Sekunden schneller, 12:35,36
       Minuten. Es heißt, Cheptegeis Laufstil sei „Poesie in Bewegung“, jedenfalls
       sagt das der kenianische Ausdauercrack Eliud Kipchoge. Und wäre im Winter
       nicht dieser impertinente Virus aufgetaucht, Cheptegei wäre in Tokio
       bestimmt Olympiasieger geworden. Das haben vor ihm nur zwei seiner
       Landsleute geschafft. In London gewann Stephen Kiprotich Marathon-Gold; er
       ist noch aktiv und hätte eigentlich nach Tokio seine Karriere beenden
       wollen.
       
       John Akii-Bua dagegen ist schon lange tot. Auf seinem Grabstein steht: „ein
       olympischer Held“, was ganz sicher für das Jahr 1972 stimmt, als er sich
       nach München aufmachte, um im Rennen über 400 Meter Hürden anzutreten. Im
       Finale startete er auf der Innenbahn, und er stürmte davon, flog förmlich
       über die Hindernisse. Er rannte nach dem Zieleinlauf einfach weiter, hopste
       zur Schau noch über ein paar Hürden und konnte kaum fassen, dass er gerade
       das Rennen seines Lebens abgeliefert hatte.
       
       John Akii-Bua war Weltrekord gelaufen, famose 47,82 Sekunden, mit denen man
       auch heute noch so gut wie jedes große Sportfest auf der Welt gewinnen
       würde. Akii-Bua, den die Münchner vielleicht deswegen ins Herz geschlossen
       hatten, weil er sich so ausgelassen freute und dabei auch noch die
       deutschen Farben trug – freilich in anderer Reihenfolge – sorgte nach
       seinem Sturmlauf für ein Novum: Er drehte eine Ehrenrunde. Dieses Ritual
       gehört heute zur Leichtathletik wie die Pistole zum Starter.
       
       ## Verhinderte TV-Übertragung
       
       Uganda ist, verglichen mit seinem Nachbar Kenia, [2][ein kleiner Fleck auf
       der Landkarte des Sports.] Während die kenianischen Spitzenläufer jedes
       Jahr dutzendweise zu den großen Sportfesten in Europa und Amerika strömen
       und man sich die Namen der Talente kaum merken kann, ist Uganda
       Entwicklungsland geblieben.
       
       Die Geschichte des John Akii-Bua, Sohn eines Stammesführers, der mit acht
       Frauen 48 Nachkommen gezeugt haben soll, könnte erklären, warum: Sein
       Triumph in München ist zwar einzigartig, aber Ugandas Diktator Idi Amin
       bringt es fertig, die Übertragung des 400-Meter-Hürden-Finales zu
       unterbinden. Die Ugander sehen vom großen Rennen nichts, gleichwohl spricht
       sich die Heldentat herum. Idi Amin, ein Despot übelster Sorte, verübelte
       Akii-Bua wohl nicht nur den plötzlichen Erfolg, sondern auch dessen
       Herkunft.
       
       Akii-Bua war Christ, gehörte zum nilotischen Volk der Langi, Idi Amin zum
       Bantu-Volk der Kakwa, er sah in Akii-Bua einen Feind. Amin, der ethnischen
       Hass schürt und als „Schlächter von Afrika“ in die Geschichte eingeht,
       stürzt das Land ins Chaos. Akii-Bua flüchtet 1979 über die grüne Grenze
       nach Kenia, wo er aufgegriffen und interniert wird. Seine Goldmedaille geht
       auf der Flucht verloren und taucht Jahre später, nachdem er schon ein
       Duplikat erhalten hat, wieder auf.
       
       Sein Sponsor, Puma, holt ihn aus dem Elend nach Herzogenaurach, wo er
       jedoch an fürchterlichem Heimweh leidet und nach Kampala zurückkehrt. John
       Akii Bua, der Sturmläufer von München, schlägt sich als Polizist und
       Trainer durch. Der olympische Held stirbt krank und verarmt mit nur 47
       Jahren.
       
       21 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.sueddeutsche.de/sport/leichtathletik-joshua-cheptegei-weltrekordv-5000-meter-1.5000190
   DIR [2] /Leistungssportlerin-erhaelt-Asyl/!5644651
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
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