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       # taz.de -- Die Wahrheit: Ein schwerer Unfall
       
       > Lebenslänglich Bayer: Auf dem Weg zu einem Picknick kommt es zu einem
       > fatalen Malheur mit Folgen für das innere Fluchzentrum.
       
       Was man halt so denkt, wenn einem so etwas passiert: So sind sie, die
       Preußen. Ich war mit dem Rad in Berlin unterwegs zu einem Picknick, bis mir
       jemand mit einem anderen Rad in meines hineingefahren ist.
       
       Daherkommen sehen hatte ich diesen Jemand nicht können, weil er hinter
       einer Unterführung von einem nicht einsehbaren Rasenstück den Radweg, auf
       dem ich gefahren bin, gekreuzt hat. Mein Vorderrad hat blockiert und ich
       bin über den Lenker gesegelt, was sicher gut ausgesehen hat. Leider war es
       sehr schmerzhaft, und ich habe mir sehr leid getan. Sonst habe ich keinem
       Leid getan. Blutend bin ich auf den Trottoir unweit eines belebten
       S-Bahnhofs gelegen und habe gewartet, bis mir jemand hilft. Es hat mir aber
       keiner geholfen, obwohl Blut aus drei Stellen meines geschundenen Körpers
       floss – aus beiden Ellenbogen und aus einem Knie.
       
       So sind sie, die Preußen, habe ich mir gedacht und mich nach dem
       Unfallverursacher umgesehen. Der stand nicht weit von mir entfernt.
       Passiert war diesem Saupreußen, diesem japanischen, augenscheinlich nichts.
       Der junge Mann, der vielleicht sogar noch ein Kind war, schaute mich mit
       großen Augen an. Er trug eine um fünf Nummern zu große Trainingsjacke mit
       dem Aufdruck irgendeines südwestdeutschen Dorfvereins, die es aus
       irgendeiner Kleidersammlung auf den Körper dieses armen Buben verschlagen
       haben musste. Gerade als ich den jungen Übeltäter einen Saupreußen, einen
       arabischen, schimpfen wollte, begann er mir derart leidzutun, dass ich es
       dann doch gelassen habe. Und außerdem wusste ich ja auch gar nicht, ob es
       wirklich ein arabischer Saupreuße war.
       
       Da saß ich also immer noch neben meinem Rad auf dem Boden und wartete
       weiter auf freundliche Ersthelfer. Unweit vom Ort meines Unfalls standen
       vier junge Leute und sammelten Unterschriften für das Tierwohl. Dass diese
       vegetarischen Saupreußen mir nicht halfen, wunderte mich nicht. Ich bin ja
       schließlich kein Tier.
       
       So beschloss ich, ohne fremde Hilfe aufzustehen und suchte einen Eckimbiss
       auf, wo ich fragte, ob ich auf dem Klo wohl meine Wunden auswaschen dürfe.
       „Toilettenbenutzung für Nichtkunden, ein Euro!“, blaffte mich der Wirt an.
       Die Türken sind in Berlin also auch schon Saupreußen, dachte ich mir,
       verließ den Laden und machte mich auf den Heimweg, was wegen eines
       veritablen Achters im Vorderrad gar nicht so einfach war.
       
       Am nächsten Tag berichtete mir meine Frau, dass sie die Tierschützer wegen
       unterlassener Hilfeleistung zur Rede gestellt hat. Die hätten sich
       verteidigt. Einer habe gesagt, er habe mich immer wieder gefragt, ob er mir
       helfen könnte, ich aber hätte nur geschimpft und geflucht. Und den
       Unfallverursacher hätte ich auch in einem unverständlichen Dialekt
       angeraunzt, vielleicht auf Sächsisch oder so. Der jedenfalls sei
       verschreckt von hinnen gezogen.
       
       Sächsisch! Es muss echt ein schwerer Unfall gewesen sein.
       
       21 Aug 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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