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       # taz.de -- Prepper-Ausstellung in Bernau: Ängste als Motor
       
       > Der Künstler Alexander Poliček hat sich mit der Prepper-Szene
       > beschäftigt. In der Galerie Bernau zeigt er eine provisorische
       > Notunterkunft.
       
   IMG Bild: Alexander Poličeks Prepper-Installation in der Galerie Bernau
       
       In der Broschüre „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in
       Notsituationen“, herausgegeben vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und
       Katastrophenhilfe, gibt es in der Mitte eine Checkliste. Dort kann man
       eintragen, was im eigenen Haushalt bereits vorhanden ist und was noch
       fehlt. Aufgeführt sind ein Grundvorrat an Getränken und Lebensmitteln,
       Vorschläge für die Hausapotheke, Hygieneartikel, Notgepäck und Vieles
       mehr.
       
       Im Juli 2019 ist die siebte Auflage des Ratgebers erschienen. Alexander
       Poliček hat ein paar davon zu seiner Ausstellung in der Galerie Bernau
       mitgebracht. Er hatte sie sich zur Vorbereitung bestellt, zu einer Zeit,
       als die Idee, zu Hause einen Vorrat für zehn Tage zu bunkern, noch ziemlich
       wie aus der Luft gegriffen klang.
       
       Poličeks Ausstellung dreht sich um das Phänomen der Prepper, um eine Szene,
       deren Angehörige sich auf schlimmstmögliche Szenarien vorbereiten. Die sich
       mit Nahrungsmitteln und Ausrüstung eindecken und sich über Handbücher und
       Youtube-Tutorials Überlebenstechniken aneignen. Die Bewegung, so heißt es,
       entstand in den 1970er Jahren während des Kalten Krieges in den USA, als
       Menschen sich vor einem möglichen Atomkrieg fürchteten. Mittlerweile gibt
       es Prepper weltweit, je nach Region mit etwas anderem Fokus.
       
       Poliček, geboren 1986, ist keiner von ihnen, aber er ist seit Längerem
       fasziniert von diesen oft als paranoid verlachten Zeitgenoss*innen.
       Nicht erst [1][seit diesem Jahr, in dem es fast vernünftig anmutet, sich
       auf den wie auch immer gearteten Ernstfall vorzubereiten]. „Make yourself,
       hard to kill“ lautet der Titel seiner Schau, deren Idee lange vor der
       Ausbreitung von Covid-19 entstanden ist.
       
       Plötzlich hochaktuell 
       
       Beworben hatte sich Poliček damit im vergangenen Jahr, als die Galerie
       Bernau für das Ausstellungsjahr 2020 eine Ausschreibung veranstaltet hatte.
       „Die Kunst des Friedens“ lautet das Jahresthema. Poličeks Prepper-Idee
       wurde als eine von fünf ausgewählt.
       
       Ahnen konnte damals freilich keine*r, wie aktuell das Thema nur ein paar
       Monate später werden sollte. Auch nicht, als Poliček Anfang 2020 mit seiner
       Arbeit an der Ausstellung begann, in die dann die Ereignisse quasi von
       außen eindrangen und Einfluss nahmen und die nun unter Einhaltung strenger
       Hygieneregeln besucht werden kann. Und tatsächlich sollte.
       
       Poliček recherchierte intensiv, so erzählt er, in Internetforen und auf
       Youtube-Kanälen, er schaute Filme über die Zombieapokalypse, versuchte auch
       – ohne Erfolg jedoch – mit Preppern direkt ins Gespräch zu kommen.
       Verarbeitet hat er all das in einer Videoarbeit und einer Reihe von
       Postern, deren Bildmotive oft aus entsprechenden Kinofilmen stammen, die
       der Künstler aber mit Texten aus der Fülle seines Recherchematerials
       versehen hat.
       
       „Walking Rust“ wiederum, das Video, speiste er aus Bildern des
       Computerspiels „Rust“: Spiele zur Bewegung, wenn man so will, geht es darin
       doch darum, möglichst lange zu überleben. Kleidung, Werkzeuge, Nahrung und
       natürlich Waffen müssen gesammelt oder erspielt, Kämpfe überstanden werden.
       
       Irrationalität der Ängste 
       
       In Poličeks Interpretation scheint das Irrationale des Preppertums klar
       durch: Der Protagonist bewegt sich bestens gerüstet durch die
       Computerspielwelt, ohne dass ihm dort irgendeine Gefahr begegnen würde.
       
       Poliček geht es um die Beweggründe der Prepper und darum, wie die sich in
       Objekten manifestieren. Im zweiten Teil des Ausstellungsraums hat er eine
       Art Bunker eingerichtet. Hinter einem Sichtschutz aus Plastikfolie steht
       ein pritschenähnliches Bett, das weder besonders einladend noch wirklich
       stabil wirkt: Ein Metallgeflecht ersetzt die Matratze, die Bettpfosten sind
       aus Ton ungeschickt zusammengebastelt. In sterilen Konstruktionen aus dem
       Baumarkt, die zum Teil mit Knetmasse eher provisorisch repariert wurden und
       deren Funktionalität gleichwohl fraglich erscheint, liegen Feueranzünder
       sowie Beutel mit Wasserfiltergranulat und Erde bereit.
       
       Das wirkt alles nicht ganz zu Ende gedacht. Aber wie soll das auch gehen?
       Auf welche Art von Katastrophen soll man sich bei all den Eventualitäten
       denn auch konzentrieren? Überleben, aber wie? Und was?
       
       Poličeks Ausgangsfrage legt den Fokus auf die Ängste, die bei Preppern zum
       Motor werden – und zu wenig hilfreichen Ratgebern. Sein Bunker ist so
       dysfunktional wie das Vorhaben, sich gegen alles zu wappnen.
       
       Schade ist nur, dass er es hierbei belässt. Poličeks Prepper sind
       unpolitisch. [2][Die Verquickung von Rechtsextremen und Reichsbürgern mit
       der Prepper-Szene] klammert der Künstler in seiner Ausstellung aus.
       Vielleicht kommt das ja noch. Poliček will weiter an dem Thema forschen.
       
       26 Aug 2020
       
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