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       # taz.de -- Entwurf für Mediengesetz in der Ukraine: Alles voller Verbote
       
       > Die ukrainische Regierungspartei will mit einem Gesetz die Medien noch
       > mehr reglementieren. Der Entwurf sorgt unter Journalisten für Entsetzen.
       
   IMG Bild: JournalistInnen im Parlament in Kiew. Das umstrittene Gesetz brachte die Regierungsfraktion ein
       
       Kiew taz | Ukrainische Journalisten warnen vor einem geplanten
       anti-russischen Mediengesetz, das dem Parlament in Kiew derzeit als Entwurf
       vorliegt. Das Gesetz kommt von führenden Abgeordneten der Regierungspartei
       „Diener des Volkes“ und soll vorgeblich Redefreiheit, vielseitige
       Informationen und Pluralismus sowie den Schutz der nationalen Interessen
       der Ukraine und der Mediennutzer gewährleisten. Insgesamt indes ist im
       Gesetzestext mehr von Verboten als von Rechten zu lesen.
       
       So sollen Angebote verboten werden, die „Organe des Aggressor-Staates (der
       Besatzungsmacht), seine Beamten, Personen und Organisationen, die vom
       Aggressor-Staat kontrolliert werden, populär machen oder sie propagieren“.
       Dass mit diesem Begriff implizit Russland gemeint ist, versteht sich im
       ukrainischen Kontext von selbst. Jede Rechtfertigung einer bewaffneten
       Aggression und der Annexion ukrainischen Gebietes sollen genauso verboten
       werden wie deren Leugnung.
       
       Verboten werden sollen auch die Verbreitung „unwahrer Materialien über die
       bewaffnete Aggression und Handlungen des Aggressor-Staates“ sowie jede
       „positive Darstellung des Agierens von Organen des Aggressor-Staates“.
       
       Staatliche Medienpolitik solle vielmehr geprägt sein von der Förderung
       glaubhafter und ausgewogener Informationen, politischem Pluralismus, dem
       Schutz der ukrainischen Staatssprache, dem Schutz vor einem „schädlichen
       Einfluss von Informationen“. Kostenpflichtige Angebote zur Volks- oder
       Alternativmedizin sollen ebenso verboten werden wie Rechtfertigung von
       Verbrechen des Nationalsozialismus und des kommunistischen totalitären
       Regimes von 1917 bis 1991.
       
       Das neue Gesetz will [1][das Russische weiter aus dem öffentlichen Raum
       verdrängen]. So müssten künftig landesweite Sender zwischen 7 und 23 Uhr zu
       90 Prozent in ukrainischer Sprache senden, regionale Sender zu 80 Prozent.
       Über die Einhaltung all dieser Verbote und Vorschriften soll der
       achtköpfige Nationale Rundfunk- und Fernsehrat wachen. Dieser Rat vergibt
       Sendelizenzen und kann bei einem Gericht die Rücknahme der Sendeerlaubnis
       beantragen. Gleichzeitig wacht er darüber, dass die Medien transparent ihre
       Besitzverhältnisse öffentlich machen. Vier seiner Mitglieder werden vom
       Präsidenten ernannt, vier vom Parlament.
       
       ## Journalisten verschiedener Couleur protestieren
       
       Ein mächtiges Gremium also, das halb vom Präsidenten und zur anderen Hälfte
       von der Parlamentsmehrheit abhängig ist, soll über heimische Print-,
       Rundfunk-, Fernseh- und Online Medien entscheiden, Geldstrafen verhängen
       und Content blockieren können. Ukrainische Journalisten unterschiedlichster
       Couleur lehnen daher das geplante Gesetz ab.
       
       Diana Duzik vom Ukrainischen Medien- und Kommunikationsinstitut etwa
       kritisierte gegenüber dem vom US-Kongress finanzierten Radio Svoboda die
       teils schwammigen Formulierungen im Gesetzentwurf. Aus dem Gesetzestext
       gehe nicht hervor, was genau als Bedrohung der Informationssicherheit des
       Landes einzustufen sei. Und Olesja Bazman, Chefredakteurin des
       Internetportals Gordonua.com, sieht in dem geplanten Medien-Gesetz gar eine
       gewisse Nähe zu [2][Wladimir Putins Gesetz über ein „souveränes Internet“],
       wie sie ebenfalls Radio Svoboda sagte. Auch die Möglichkeit, Listen von
       Inhalten erstellen zu können, deren Publikation Geldstrafen nach sich
       ziehen, kritisierte sie.
       
       Frühestens im September wird das ukrainische Parlament über den
       Gesetzentwurf entscheiden. Es ist davon auszugehen, dass angesichts der
       wachsenden Kritik noch zahlreiche Änderungen vorgenommen werden. Derzeit,
       sagte Parlamentssprecher Dmitro Rasumkow Anfang der Woche, gebe es im
       Parlament keine Mehrheit für den Entwurf.
       
       23 Jul 2020
       
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