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       # taz.de -- Verdacht auf Anschlag auf Alexei Nawalny: Russisches Roulette
       
       > Woran der russische Oppositionspolitikers erkrankt ist, bleibt mysteriös.
       > Hat der Kreml das Drehbuch geschrieben?
       
   IMG Bild: „Nawalny wurde vergiftet, wir wissen, wer schuld ist, Alexei, du musst leben“, steht auf dem Plakat
       
       Nun also doch: Wenn wir den Spezialist*innen der Berliner Charité
       Glauben schenken, ist mit Alexei Nawalny ein weiterer unbequemer
       [1][russischer Oppositioneller Opfer eines heimtückischen Giftanschlags
       geworden]. Und schon heißt es wieder „Film ab“ im Kopfkino – mit dem Kreml
       in der Rolle des Regisseurs. Bekanntermaßen macht dessen Wille,
       Kritiker*innen aus dem Weg zu räumen, auch an den Grenzen Russlands nicht
       halt.
       
       Dennoch wirft die Causa Nawalny eine Reihe von Fragen auf. Warum gerade
       jetzt? Haben die Machthaber wirklich eine so große Angst vor einer
       Niederlage gegen Nawalnys Kandidaten bei den bevorstehenden Kommunalwahlen
       im September? Zumal der Anschlag auf den auch in eigenen Kreisen kritisch
       beäugten Korruptionsbekämpfer dazu angetan ist, bisher eher unpolitische
       Russ*innen zum Nachdenken zu bringen.
       
       Warum wurde Nawalnys Ausreise nach Deutschland schließlich doch zugestimmt?
       Schließlich wäre es doch ein Leichtes gewesen, [2][ihn eines qualvollen
       Todes in Omsk sterben zu lassen] oder als lebenden Leichnam beziehungsweise
       Pflegefall auf Lebenszeit zu entlassen – Ursache der Erkrankung unbekannt.
       Vielleicht ist die Annahme, das Drehbuch wird nicht nur im Kreml
       geschrieben, so abwegig nicht.
       
       Und schließlich kommen auch noch die [3][Proteste beim Nachbarn Belarus]
       ins Spiel, die Lukaschenko bisher nicht zum Verstummen bringen kann. Es ist
       ein offenes Geheimnis, dass Moskau zu Teilen der belarussischen Opposition
       Kontakt aufgenommen hat – wohl wissend, dass die Tage des belarussischen
       Dauerherrschers gezählt sein könnten. Da wäre es auf jeden Fall besser, den
       Westen nicht noch weiter zu verprellen. Denn der will auch nicht, dass die
       Situation in Belarus aus dem Ruder läuft, sondern zieht einen „geordneten“
       Übergang in Minsk vor, bei dem Russland nolens volens ein gewichtiges Wort
       mitzureden hat.
       
       Bundeskanzlerin Angela Merkel hat jetzt, souffliert von Außenminister Heiko
       Maas, gefordert, den Anschlag restlos aufzuklären und die Verantwortlichen
       zur Rechenschaft zu ziehen – eine Stellungsnahme, die umso schwerer wiegt,
       als Berlin derzeit auch die Ratspräsidentschaft der EU innehat. Doch nicht
       zuletzt der Fall des Mordes an dem aus Tschetschenien stammenden Georgier
       Zelimkhan Khangoshwili am 23. August 2019 in Berlin zeigt, dass derartige
       Appelle ins Leere laufen. Warum sollte Russland auch ein Interesse daran
       haben, die wahren Drahtzieher dieser und anderer, ähnlich gelagerter Taten
       dingfest zu machen?
       
       Bliebe noch die Möglichkeit, neue Sanktionen gegen Russland zu verhängen.
       Sie wären ein wichtiges und richtiges Zeichen, dass der Westen nicht bereit
       ist, einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen. Doch darauf zu hoffen,
       Russland werde seinen Vernichtungsfeldzug gegen die Opposition beenden,
       wird vorerst ein frommer Wunsch bleiben. Alexei Nawalny wird nicht das
       letzte Opfer sein.
       
       25 Aug 2020
       
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