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       # taz.de -- Neuer Kulturort in Berlin: Mehr Musik in der Münze
       
       > Die Alte Münze wird ein Haus für Jazz. Doch es gäbe Platz für mehr:
       > Wofür, darauf konnten sich Politik und Kulturszene bisher nicht einigen.
       
   IMG Bild: Schon Platz für Leuchttürme der Kultur: die Alte Münze
       
       In der Alten Münze soll ein Haus mit Schwerpunkt Musik entstehen. 2018
       hatte das Abgeordnetenhaus beschlossen, den Gebäudekomplex am Molkenmarkt
       in Mitte als Ort für die Kultur zu sichern. Zur großen Freude der
       Kulturszene: Vor allem die Koalition der Freien Szene Berlin erhofft sich,
       einen Ort für die eigenen Bedürfnisse mitentwickeln zu können. Unter ihrer
       Ägide kam es im letzten Jahr zu einem Beteiligungsverfahren. In einem
       mehrmonatigen Prozess erarbeiteten verschiedene Stakeholder eine Empfehlung
       an die Politik, wie der Kulturort zukünftig aussehen möge, der 2026 fertig
       gestellt sein soll. Beteiligung der Öffentlichkeit, Transparenz, das
       wünscht sich die Koalition der Freien Szene für die Entwicklung der Alten
       Münze. Doch was daraus wird, ist noch unklar.
       
       Im Januar gab Kultursenator Klaus Lederer einigermaßen überraschend
       bekannt, dass vor allem eine Idee verwirklicht werden soll, die bereits vom
       Tisch schien. Das „House of Jazz“, das nun vielleicht etwas anders heißen
       soll, vielleicht „Zentrum für Jazz und improvisierte Musik“, und das auf
       eine Idee des Trompeters Till Brönner zurückgeht, [1][soll nun doch hier
       entstehen] – nach einem gemeinsamen Konzept von Brönner, der IG Jazz Berlin
       und der Deutschen Jazzunion und – stärker als zuerst angedacht – die lokale
       Jazzszene einbeziehend. Dennoch: der Schwerpunkt in der Alten Münze wird
       der Jazz sein. Sowohl die Spreewerkstätten, die bereits aktuell Teile der
       Alten Münze bespielen, als auch die Initiative für Neue Musik blitzten mit
       ihren Konzepten ab und dementsprechend groß war die Enttäuschung auf deren
       Seite.
       
       Doch der Gebäudekomplex ist groß genug, um die Koalition der Freien Szene
       weiter davon träumen zu lassen, hier auch etwas eigenes mitgestalten zu
       dürfen. So lud sie zu einer Gesprächsrunde mit Kulturpolitiker*innen aller
       Fraktionen, um einen Zwischenstand der Planungen zu präsentieren und diesen
       auch gleichzeitig bei der Politik zu erfragen. Wobei Daniel Wesener von den
       Grünen gleich mal klarmachte: Noch ist nichts in trockenen Tüchern. Die
       nächste Koalition, wie auch immer die aussehen wird, könne den Beschluss
       immer noch kippen.
       
       Überhaupt, und das wurde schnell klar bei der Veranstaltung, ist noch mehr
       unklar als klar, was die zukünftige Struktur des Hauses betrifft. So ist
       etwa noch völlig offen, wer außer dem Jazz hier einmal einziehen wird.
       
       Man wolle etwas schaffen, was die nächsten 90 Jahre Bestand hat, sagte
       Frank Jahnke von der SPD. Es solle einen Mix an Mieten geben, darunter auch
       bezuschusste und einen gemeinnützigen Träger. Kultusstaatssekretär Torsten
       Wöhlert von den Linken sprach von einer Durchschnittsmiete von 6,50 Euro
       als Richtwert. Von einem Club, der wohl auch einziehen werde, könne man
       ruhig um die 9 Euro verlangen. Andere wiederum müssten weniger bezahlen.
       
       Wesener sprach von einer „riesigen Herausforderung“ für alle Beteiligten –
       baulich, konzeptuell und wirtschaftlich. Vor allem konzeptuell wurde ein
       schwelender Dissens zwischen der Politik und der Koalition der Freien Szene
       deutlich.
       
       Letztere lud zur Veranstaltung unter der Überschrift „Die Alte Münze wird
       zum Ort der Freien Kunst- und Kulturszene“, während man auf einer
       Projektion hinter dem Podium das Plakat sah, das vor dem Gebäude angebracht
       wurde und auf dem steht „Hier entsteht ein Kultur- und Kreativstandort“.
       Daniel Wesener will bereits beim Beteiligungsverfahren eine „Frontstellung“
       zwischen Kulturszene und Kreativwirtschaft ausgemacht haben, die für ihn
       nicht mehr zeitgemäß sei. Man wolle eben, so wurde seitens der Freien Szene
       betont, keine zweite Kulturbrauerei haben. Also einen Ort, wo man auch mal
       viel im Sinne der Kultur vorhatte, wo man heute aber längst eher an
       Pubcrawling denkt.
       
       Neu war, dass Kulturstaatssekretär Wöhlert nicht mehr von 15.000, sondern
       nur noch von 11.000 Quadratmetern Nutzfläche sprach. Neu war bis vor Kurzem
       für die Koalition der Freien Szene auch, dass seitens der Politik
       sogenannte Patenschaften angefragt wurden. Was das denn sei, wurde Wöhlert
       gefragt. Paten seien als Betreiber kultureller Einrichtungen, die als eine
       Art Platzhalter gefragt werden, was sie an Ausstattung und räumlichen
       Gegebenheiten bräuchten, wenn sie hier residieren dürften. Diese Paten
       seien jedoch keineswegs diejenigen, die hier auch wirklich einziehen
       werden.
       
       Kulturszene und Politik werden also weiterhin darum ringen, was genau in
       ein paar Jahren in der Alten Münze passieren wird.
       
       26 Aug 2020
       
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