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       # taz.de -- Zoff um autonomes Veranstaltungszentrum: Attacke aufs Sportamt
       
       > Bremens autonomes Veranstaltungszentrum „Altes Sportamt“ gerät in
       > Bedrängnis – weil der Verfassungsschutz es als Problemobjekt labelt.
       
   IMG Bild: Auch ein krummer Hund ist verdächtig, wenn er extrem ans Alte Sportamt pinkelt
       
       BREMEN taz | Die Weser rauscht und still liegt das Alte Sportamt. Corona
       hat die Saison des autonomen Veranstaltungszentrums gecancelt. Dennoch gibt
       es Unruhe, Donnerstag fand sogar ein außerplanmäßiges Plenum statt.
       Auslöser war die aktuelle Berichterstattung – Aktivist*innen sprechen sogar
       von „Hetze“ – über eine [1][Senatsantwort] auf eine Anfrage der
       CDU-Fraktion im Weser-Kurier.
       
       Der zitiert angeblich aus dem Dokument Wertungen, die sich so in der
       Parlamentsdrucksache nicht finden und behauptet: „Die Stadt Bremen führt
       Gespräche mit dem Verein Klapstul über die weitere Nutzung des Alten
       Sportamtes.“ Das wird von beiden Seiten dementiert. Persönlich habe man
       sich nur „im Rahmen der üblichen Begehung ausgetauscht“, sagt Peter Schulz
       von Immobilien Bremen, die das Objekt verwalten.
       
       Das Gebäude in der Pauliner Marsch dient seit fast zehn Jahren als selbst
       organisiertes Veranstaltungszentrum. Ein Vertrag existiert seit 2017, und
       tatsächlich schildert die Senatsantwort den Verein Klapstul, dem die Stadt
       die Location leihweise überlässt, entlang durchaus kiebiger Fragen als
       mustergültigen, fast schon spießigen Vertragspartner. So habe „in den
       letzten fünf Jahren das Ordnungsamt keine und die Polizei Bremen eine
       Beschwerde“ wegen lauter Musik verzeichnet, also: eine, in fünf Jahren,
       gegen ein Veranstaltungszentrum. Das ist echt nichts.
       
       Noch weniger Anlass zum Klagen gibt es baupolizeilich: Wie verabredet gibt
       es keine Heizkörper im Alten Sportamt. Der Termin für die jährliche
       Brandschutzbegehung war bei Redigat der Senatsantwort noch coronabedingt in
       der Abstimmung. Mittlerweile hat sie wohl stattgefunden – und wie in den
       Vorjahren keine Beanstandungen erbracht. Auch Wasser, Strom und Müll zahlen
       die Sportamtler pünktlich: „Verbindlichkeiten gegenüber Immobilien Bremen
       bestehen nicht“, so weit die Senatsantwort.
       
       ## Jubiläumsfeier der Antifa
       
       Das Hauptaugenmerk der CDU liegt aber ohnehin auf etwas anderem: Der Senat
       attestiert „einzelnen Nutzerinnen und Nutzern“ eine „Nähe“ zum
       linksextremistischen Milieu. Unter Vereinsmitgliedern,
       Sportamt-Nutzer*innen sowie Gästen „finden sich einzelne gewaltorientierte
       Linksextremisten“, heißt es in dem Papier. Das ist, was Innenpolitiker
       Thomas vom Bruch (CDU) umtreibt. „Selbstverständlich stellen wir die Fragen
       aus politischem Interesse, also im Hinblick auf mögliche Folgen.“ Man wolle
       wissen, „inwiefern ist das tolerabel, was sich dort abspielt“.
       
       Anknüpfungspunkt dafür war [2][der Bremer Verfassungsschutzbericht]. Der
       hatte, mit eigentümlicher Nutzung der Anführungszeichen, das Alte Sportamt
       als Veranstaltungsort „der ‚linken‘ und linksextremistischen Szene“
       bezeichnet.
       
       Relevant fand der Landesgeheimdienst, dass die Basisgruppe Antifa dort ihr
       zehnjähriges Bestehen gefeiert hatte. Zudem erwähnt er ein Training, das im
       Vorfeld der „Ende Gelände!“-Aktionstage in der Lausitz stattgefunden haben
       soll.
       
       Mindestens wäre das ein würdiger Anlass gewesen: Denn Neonazis hatten
       gedroht, die dortigen Anti-Braunkohle-Blockaden im November 2019
       aufzumischen. Tatsächlich war dann auch eine mit Quartz-Handschuhen und
       Axtstielen bewaffnete Fascho-Gruppe [3][festgenommen worden], die sich an
       eine Mahnwache heranzupirschen schien. Zudem gab es ungewöhnlich deutliche
       Hinweise auf rechte Unterströmungen in der zuständigen Landespolizei: Eine
       Gruppe [4][von neun Beamten hatte sich vor einem Graffito fotografiert],
       mit dem Rechtsradikale gegen die Proteste mobilisierten.
       
       Die Sportamt-Leute sind basisdemokratisch organisiert. Repräsentativ- und
       Sprecher*innen-Funktionen gibt es nur auf geschäftlicher, nicht auf
       inhaltlicher Ebene. Manche mutmaßen, dass die Corona-Vakanz strategisch für
       einen Angriff genutzt werden soll. Konsens aber ist: Man sieht sich
       diffamiert und kriminalisiert mithilfe des schwammigen Labels
       „Linksextremismus“.
       
       Folgerichtig hat man den vom Senat unternommenen Vorstoß brüsk abgelehnt,
       in den Leihvertrag eine Klausel aufzunehmen, nach der das Leihobjekt
       Gruppen nicht überlassen werden dürfe, die der Verfassungsschutz des
       Extremismus bezichtigt.
       
       „Die völlig intransparente und oftmals willkürliche Einteilung des
       Verfassungsschutzes in vermeintliche Verfassungsfeind_innen und echte
       Demokrat_innen lehnen wir grundsätzlich ab“, heißt es in einer
       Stellungnahme. Bei einer Unterredung war der Sachverhalt geklärt. „Der
       Senat wird diese Entwicklung weiterhin äußerst kritisch beobachten“, heißt
       es nun.
       
       Das dürfte Thomas vom Bruch nicht reichen. Es sei noch zu früh für ein
       abschließendes Urteil, sagt er. Aber „die Tendenz bei uns ist, dass wir das
       nicht für hinnehmbar halten“. Man dürfe sich „nicht zum Nachtwächterstaat
       degradieren lassen, der noch unterstützt, wenn Leute etwas gegen die
       Verfassung unternehmen“.
       
       Das Alte Sportamt sieht sich eher als Enklave in der Konkurrenz- und
       Leistungsgesellschaft, in der „Menschen sich frei von Kontrolle selbst
       organisieren, sich austauschen und diskutieren können“. Man lasse sich
       weder spalten noch einschüchtern im Kampf „für eine solidarische
       herrschaftsfreie Gesellschaft“.
       
       28 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2020-08-26_Drs-20-294%20S_5cfcb.pdf
   DIR [2] https://www.verfassungsschutz.bremen.de/
   DIR [3] /Ende-Gelaende-in-der-Lausitz/!5645678
   DIR [4] https://www.rbb24.de/studiocottbus/politik/2020/02/polizisten-cottbus-graffito-ende-gelaende.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
       
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