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       # taz.de -- Boykott der NBA-Basketballer: Appell an die Gleichgültigen
       
       > Im US-Sport kommt es zum Boykott. Basketballer möchten von der
       > Dringlichkeit des Protests gegen Polizeigewalt überzeugen. Schaffen sie
       > das?
       
   IMG Bild: „Oh, ihr hört uns nicht? Na dann seht ihr uns eben auch nicht!“, sagt JR Smith, Los Angeles Lakers
       
       Chuck Cooper kam 1950 als erster Schwarzer Spieler in die US-Basketballliga
       NBA. Seitdem hat ein steter Wandel stattgefunden. Heute liegt der Anteil
       der Schwarzen Dribbelkünstler bei über 75 Prozent. Die besten Spieler der
       Liga, Most Valueable Players, kurz MVP genannt, waren in den vergangenen
       zehn Jahren alle Schwarz.
       
       Spieler wie LeBron James, James Harden oder Giannis Antetokounmpo
       dominieren die Liga. Daher verwundert es nicht, [1][wenn sie jetzt mobil
       machen gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt in den USA] und den
       Spielbetrieb kurzerhand einstellen, [2][um ein noch deutlicheres Zeichen
       des Protests zu setzen]. Oder wie es NBA-Profi JR Smith von den Los Angeles
       Lakers sagt: „Oh, ihr hört uns nicht? Na dann seht ihr uns eben auch
       nicht!“ Sie wollen ihren Boykott auch als erzieherische Maßnahme verstanden
       wissen. Die Indifferenten und stillen Beobachter sollen sich bekennen,
       wenigstens die. Von den Trump-Fans haben sie eh nichts zu erwarten.
       
       Viele Spieler der NBA sind im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung zu
       politischen Aktivisten geworden, und die Liga-Bosse haben sie sogar
       ermuntert, weil die wissen, dass ihr Publikum zum eher progressiven Teil
       der US-Bevölkerung zählt. Als die NBA vor wenigen Wochen ihre Pause
       beendete, um in Orlando in der Corona- „Bubble“ zu spielen, war der Tross
       so eingekleidet, als käme er direkt von einer BLM-Großdemo auf dem Times
       Square.
       
       Auf den Aufwärmshirts stand „Black Lives Matter“, auf den Trikots der
       Spieler prangten jeweils individuell gestaltete Slogans wie „Equality“,
       „Education Reform“, „How Many More“ oder einfach „Peace“. Die NBA und ihre
       Spieler gefallen sich in der Rolle eines sportpolitischen Avantgardisten.
       Vollzogen sich die Proteste in der Vergangenheit eher auf individueller
       Ebene und mit Duldung der Liga, agieren die Spieler jetzt im Kollektiv.
       
       ## Werden die Footballer mitmachen?
       
       Der Streik soll sich wie ein Lauffeuer von Team zu Team und von Liga zu
       Liga verbreiten. Und [3][selbst das scheint zu gelingen, denn die ebenso
       progressive WNBA hat sich angeschlossen], aber auch die Profi-Fußballer von
       der MLS und sogar Baseballmannschaften. Das ist bemerkenswert, weil nicht
       nur durch die politische Landschaft der USA ein sich ständig verbreiternder
       Riss geht, sondern auch mitten durch den US-Sport. Baseball-, Football- und
       zum Teil Eishockeyfans werden grob dem konservativ-republikanischen Lager
       zugeschlagen, während im Basketball und Fußball mehrheitlich demokratische
       Wähler zu Hause sind.
       
       Wenn sich also der Protest auf das Feld des Baseballs tragen lässt, dann
       ist das ein politischer Landgewinn für die BLM-Bewegung. Würde sogar auch
       der uramerikanische Traditionssport Football mitmachen, dann stünde der
       US-Sport vor einer Zeitenwende. Aber soweit ist es noch nicht, [4][wie der
       Fall des Colin Kaepernick gezeigt hat]. Der ehemalige Quarterback genießt
       in der Szene der Progressiven wegen seines mutigen Bekenntnisses gegen
       Polizeigewalt zwar Kultstatus, aber die NFL-Eigner behandelten ihn nach
       seinem Kniefall wie einen Aussätzigen und beschäftigten ihn nicht weiter.
       
       Der aktuelle Sportboykott, angestoßen von NBA-Spielern, wird von
       demokratischer Seite, etwa von Expräsident Barack Obama, bejubelt. Aber was
       kann er tatsächlich bewirken? Bringt er die Gegenseite zum Nachdenken? Oder
       verhärtet er nicht die Fronten und spielt mitten im Wahlkampf um den
       Präsidentensessel den Trumpisten in die Hände? Nun, die politisierten
       Spieler der NBA konnten wohl nicht anders, als ihre Wut über das, was in
       den USA falsch läuft, in eine Aktion zu verwandeln.
       
       Eingefleischte Republikaner werden eine Anmaßung darin erkennen, einen
       Missbrauch öffentlicher Macht von einer ohnehin privilegierten Profi-Kaste.
       Aber sei’s drum. In den Kreisen der NBA heißt es dieser Tage: Do the right
       thing! Und richtig wäre auch, nicht nur den Mund aufzumachen und zu sagen,
       was man denkt, sondern auch aufs Spielfeld zurückzukehren, um die Bühne für
       Dunks – und die eine oder andere politische Botschaft zu nutzen. Das wäre
       besser, als im Dauerboykott zu verharren.
       
       27 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
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