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       # taz.de -- Grüne Finanzpolitikerin über Wirecard: „Scholz' Aussagen waren dünn“
       
       > Die grüne Finanzpolitikerin Lisa Paus ist unzufrieden mit den
       > Wirecard-Aussagen vom Bundesfinanzminister – und droht mit einem
       > Untersuchungsausschuss.
       
   IMG Bild: Wirkt erleichtert: Olaf Scholz (SPD) nach der Befragung zum Wirecard-Skandal im Finanzausschuss
       
       taz: Frau Paus, der Finanzausschuss des Bundestages hat bis in den späten
       Mittwochabend über den [1][Bilanzbetrug bei Wirecard] beraten.
       Finanzminister Scholz ist bei der Befragung bei der Linie geblieben, dass
       sich die Finanzaufsicht nichts vorwerfen lassen muss. Wie bewerten Sie das? 
       
       Lisa Paus: Die Aussagen von Herrn Scholz waren sehr dünn, und ich glaube
       nicht, dass das tragen wird. Seine Hauptargumentation war: Wir haben immer
       alles getan, was wir hätten tun können. Als es 2019 den Vorwurf der
       Marktmanipulation gegen Wirecard gab, habe die Finanzaufsicht Bafin in alle
       Richtungen ermittelt. Sie habe nicht anders gekonnt, als die DPR, die
       Deutsche Prüfstelle für Rechungslegung, mit einer Prüfung zu beauftragen.
       Wir haben auch den Präsidenten der DPR, Edgar Ernst, angehört. Er hat klar
       gesagt, dass die DPR gar nicht in der Lage ist, Bilanzfälschung
       aufzudecken. Sie muss immer davon ausgehen, dass die Angaben der
       Unternehmen richtig sind. Bilanzfälschung zeichnet sich aber dadurch aus,
       dass bewusst falsche Angaben gemacht werden.
       
       Scholz war nach der Befragung zufrieden. Zu Recht? 
       
       Der große Befreiungsschlag für Herrn Scholz war das sicherlich nicht. Er
       hat sich darauf zurückgezogen, dass die Gesetze zu dem Zeitpunkt des
       Bilanzbetrugs bei Wirecard so schlecht waren, wie sie waren. Wir
       bezweifeln, dass es keine andere Möglichkeit gegeben hat, als die DPR zu
       beauftragen. Wenn Gesetze nicht ausreichen, muss man sie ändern.
       
       Muss Minister Scholz Konsequenzen bei der Finanzaufsicht Bafin ziehen? 
       
       Unbedingt! Die Bafin braucht einen echten Neustart. Sie hat in den
       vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Skandalen nicht aufgedeckt, zum
       Beispiel den Steuerraub durch Cum Ex oder den bei P&R, die Container als
       Kapitalanlagen verkauft haben, die nie existierten. Wir wollen einen agilen
       Finanzmarktwächter mit kriminalistischem Gespür. Einen starken Aufseher und
       keinen Wegseher. Länder wie die USA sind da schon viel weiter. Außerdem
       gibt es bisher keinen Bereich in der Bafin, der für Anleger- und
       Verbraucherschutz zuständig ist. Der Präsident der Bafin, Felix Hufeld, hat
       immer gesagt, seine Behörde könne nicht mehr machen, aber er hat sich nie
       dafür eingesetzt, mehr Kompetenzen zu bekommen. Deshalb brauchen wir auch
       einen personellen Neustart.
       
       Hat die Sondersitzung des Finanzausschusses neue Erkenntnisse über den
       Wirecard-Skandal gebracht? 
       
       Wir haben neue Unterlagen bekommen, zum Beispiel zum Themenkomplex
       Geldwäsche und zu der Sonderprüfung von KPMG. Der Konzern wurde offenbar
       immer wieder so umgebaut, um der Aufsicht und der Regulierung zu entgehen.
       Auch im Bereich der Geldwäscheaufsicht. Dass die Bafin das sehenden Auges
       hingenommen und akzeptiert hat, obwohl Wirecard hochriskante Kunden aus dem
       Glücksspiel- und Pornometier hatte, können wir nicht nachvollziehen. Wenn
       man sich den vollständigen KPMG-Bericht anschaut, macht es einen sprachlos,
       dass den Wirtschaftsprüfern über eine so lange Zeit nichts aufgefallen sein
       soll.
       
       Wird es einen Untersuchungsausschuss geben? 
       
       Der ist seit gestern wahrscheinlicher geworden. Es gibt einen massiven
       Aufklärungsbedarf. Andererseits haben wir jetzt Sommerpause, und es würde
       bis November dauern, bis ein Untersuchungsausschuss die Arbeit aufnehmen
       könnte. Aus Erfahrungen wissen wir: Ein Untersuchungsausschuss muss
       gründlich vorbereitet werden. Bei der Einsetzung hat man nur einen Schuss,
       der muss sitzen. Es geht hier nicht um eine Showveranstaltung, sondern um
       zügige Sachaufklärung und echte Reformen.
       
       Wie geht es weiter? 
       
       Wir werden eine weitere Sondersitzung beantragen. Wir wollen auf jeden Fall
       das Bundeskanzleramt, die Bezirksregierung Niederbayern und die zuständige
       Behörde für Geldwäsche, die dem Finanzminister untersteht, anhören. Wir
       müssen alle Instrumente prüfen. Es gibt auch die Möglichkeit, einen
       Sonderermittler einzusetzen.
       
       Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) war vorgeladen, weil er für
       die Kontrolle der Wirtschaftsprüfer verantwortlich ist, denen Versagen
       vorgeworfen wird. 
       
       Auch von Hern Altmaier war ich enttäuscht. Wenn wir eine schärfere
       Regulierung bei den Wirtschaftsprüfern hätten, wäre der Fall Wirecard nicht
       geschehen. Dass wir sie nicht haben, liegt in der Verantwortung der
       jetzigen Koalition. In der letzten Legislaturperiode gab es ein
       Reformvorhaben auf EU-Ebene, weil seit Langem klar ist, dass es hier
       Defizite gibt. Am Ende hat sich die Lobby durchgesetzt und Deutschland hat
       eine der laxesten Regulierungen für Wirtschaftsprüfungen in der EU.
       Trotzdem hat Herr Altmaier gestern gesagt, er müsste erst mal mit
       Wissenschaftlern und Experten beraten. Aber die Diskussion ist
       abgeschlossen, alle Argumente liegen auf dem Tisch. Jetzt ist die Zeit des
       Handelns. Weiteres Verzögern bedeutet nur, dass man den Lobbyisten, die das
       verwässern wollen, Tür und Tor öffnet. Ich erwarte, dass Minister Altmaier
       zügig einen Gesetzentwurf vorlegt.
       
       Herr Scholz hat einen, wie er sagt, Aktionplan vorgelegt. Reicht das, was
       er da ankündigt? 
       
       Das ist kein Aktionsplan, das ist eine Prüfliste. Konkret will Minister
       Scholz eine kleine Reform bei der Bafin, damit sie schneller eine
       Sonderprüfung beauftragen kann. Mehr Konkretes wissen wir nicht. Alle
       anderen Punkte sind „Könnte“, „Wäre nett“, „Sollte man mal drüber
       nachdenken“. Das ist zu wenig.
       
       30 Jul 2020
       
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