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       # taz.de -- Chinas „Sicherheitsgesetz“ in Hongkong: Aktivisten dürfen nicht kandidieren
       
       > In Hongkong sind mindestens zwölf Oppositionelle von der Parlamentswahl
       > ausgeschlossen worden. Mehrere wurden festgenommen.
       
   IMG Bild: Joshua Wong und andere Pro-democracy-Aktivist:innen bei einer Pressekonferenz am 15. Juli
       
       PEKING taz | Wann [1][Hongkongs Bürger zur Parlamentswahl] antreten werden,
       ist noch ungewiss: Zwar ist der Urnengang nach wie vor für den 6. September
       dieses Jahres geplant, doch laut Medienberichten möchte die Lokalregierung
       die wichtigste politische Veranstaltung der Finanzmetropole aufgrund der
       steigenden Virusinfektionen um ein Jahr verschieben. Doch abseits vom
       Zeitpunkt steht jetzt bereits fest, dass die siebeneinhalb Millionen
       Hongkonger ohnehin keine echte Wahl haben werden.
       
       Mindestens zwölf führende Oppositionspolitiker, darunter vor allem die
       derzeit aufstrebende junge Generation, wurden am Donnerstag von ihrer
       Kandidatur ausgeschlossen. Konkrete Namen und Gründe nannte die
       Lokalregierung zwar nicht, doch gab sie in einer schriftlichen
       Stellungnahme Aufschluss für die Kriterien, die zur Disqualifizierung
       führen.
       
       Dazu gehört etwa „eine grundsätzliche Ablehnung des nationalen
       Sicherheitsgesetzes“, welches die chinesische Staatsführung zu Beginn des
       Monats Hongkong ohne demokratische Zustimmung aufgezwungen hat. Zudem solle
       man das Grundgesetz Hongkongs nicht nur „aufrechterhalten“, sondern auch
       „unterstützen und fördern“.
       
       Zu den geschassten Wahlkandidaten zählt auch [2][der international bekannte
       Joshua Wong], der bei den inoffiziellen Vorwahlen der Opposition zu Beginn
       des Monats unter allen Nominierten die höchste Unterstützung erhalten
       hatte. Der 23-Jährige beschreibt die jüngste Maßnahme als „bisher größten
       Schlag gegen die Wahlen der Stadt“: „Peking zeigt eine völlige Missachtung
       gegenüber dem Willen der Hongkonger.“
       
       ## Bis zu zehn Jahre Haft für junge Aktivisten
       
       Tatsächlich war es nur eine Frage der Zeit, bis die Behörden unliebsame
       Kandidaten unter dem Vorwand, nicht gesetzeskonform zu sein, ausschließen
       würden. So ist es bereits öfters geschehen. Doch der Ausschluss von gleich
       zwölf Kandidaten an einem einzigen Tag ist bislang einmalig. Zudem drohte
       die Lokalregierung: „Wir schließen die Möglichkeit, weitere Nominierungen
       ebenfalls ungültig zu erklären, nicht aus.“
       
       Für diese Entscheidung hagelt es Kritik aus dem Ausland: „Es ist keine
       Demokratie, wenn die Regierung entscheidet, welche Kandidaten der
       Opposition zugelassen werden“, tweetet der Grünen-Politiker Reinhard
       Bütikofer, Vorsitzender der China-Delegation des Europäischen Parlaments.
       Am Dienstag hatte die EU aufgrund des nationalen Sicherheitsgesetzes
       Sanktionen gegen China verhängt.
       
       Die Kommunistische Partei lässt sich in ihrer Machtdemonstration nicht
       beirren: Am Mittwoch haben Polizisten [3][aufgrund des neuen Dekrets] vier
       Aktivisten zwischen 16 und 21 Jahren, wegen „sezessionistischer
       Aktivitäten“ festgenommen – ein Straftatbestand, auf dem bis zu zehn Jahre
       Haft stehen. Den vier Hongkongern wird vorgeworfen, sich in sozialen
       Netzwerken für die Unabhängigkeit Hongkongs ausgesprochen zu haben.
       
       ## Joshua Wong ruft zum Durchhalten auf
       
       Es handelt sich bei den Festgenommenen um Mitglieder von „Studentlocalism“
       – einer Gruppierung, die 2016 von Jugendlichen im Schulalter gegründet
       wurde. Ihre Vereinigung hatten sie noch kurz vor Einführung des nationalen
       Sicherheitsgesetzes aufgelöst und ins Ausland verlagert. Das scheint sie
       nun jedoch nicht vor Strafverfolgung zu schützen: „Denken Sie nicht, dass
       man keine Verantwortung trägt für Posts im Internet“, sagte Li Kwai-wah,
       Leiter der neuen nationalen Sicherheitsbehörde, während einer
       Pressekonferenz am Mittwoch.
       
       Menschenrechtsorganisationen zeigen sich entrüstet: „Laut den
       Stellungnahmen der Polizei wurden alle Inhaftierten allein deswegen zur
       Zielscheibe, weil sie ihre Meinung friedlich ausgedrückt haben“, sagt
       Nicholas Bequelin von Amnesty International.
       
       Bereits zuvor hatten Hongkongs Polizisten elf Bürger aufgrund des neuen
       Gesetzes festgenommen, jedoch ausschließlich im Zuge von
       Protestveranstaltungen.
       
       Joshua Wong rief auf Twitter zum Durchhalten auf: „Trotz allem werden wir
       Hongkonger nicht aufgeben. Unser Widerstand wird weitergehen und wir hoffen
       darauf, dass die Welt uns bei dem kommenden schweren Kampf beisteht“. Nach
       der Logik des neuen Sicherheitsgesetzes kann sein Tweet durchaus als
       Strafbestand gewertet werden, ruft er doch beispielsweise zur
       „Kollaboration mit ausländischen Mächten“ auf.
       
       30 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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