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       # taz.de -- Verdachtsberichte in Pressearchiven: Entscheid gegen Löschpflicht
       
       > Verdachtsberichte dürfen in Pressearchiven bleiben – auch wenn der
       > Verdacht sich nicht bestätigt. Das hat das Verfassungsgericht
       > entschieden.
       
   IMG Bild: Kein automatischer Anspruch auf Löschung, sagt das Verfassungsgericht
       
       Das Bundesverfassungsgericht bewahrt Onlinepressearchive vor weitgehenden
       Löschpflichten. Auch Artikel, die sogenannte „Verdachtsberichterstattung“
       enthalten, können dauerhaft in Archiven zugänglich bleiben.
       
       Im konkreten Fall ging es um einen Unternehmensberater, der Siemens beim
       Eintritt in neue Märkte unterstützte. Die Europa-Ausgabe einer US-Zeitung
       berichtete 2007 über den Verdacht, dass er dabei auch in großem Umfang
       Bestechungsgelder verteilte.
       
       Der Mann klagte später auf Entfernung des Berichts aus dem Onlinearchiv des
       Mediums, was Hamburger Gerichte jedoch ablehnten. Auch beim
       Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte er nun keinen Erfolg.
       
       Die Verfassungsrichter erinnerten zwar an ihre Grundsatzentscheidung von
       Dezember 2019, wonach das „Recht auf Vergessenwerden“ nicht nur für
       Suchmaschinen wie Google, sondern auch für Onlinepressearchive gelte. Dabei
       sei dieses Recht aber immer mit der Pressefreiheit abzuwägen.
       
       ## Nachtrag möglich
       
       Im konkreten Fall entschied das BVerfG, dass bei Verdachtsberichterstattung
       kein automatischer Anspruch auf Löschung entsteht, wenn der Verdacht später
       nicht zu einer Verurteilung führt. Vielmehr komme es grundsätzlich darauf
       an, ob die Berichterstattung ursprünglich erlaubt war.
       
       Die Richter verwiesen dabei auf die hohen Anforderungen an eine
       Verdachtsberichterstattung. Es müsse um Vorwürfe von erheblichem Gewicht
       gehen, der Betroffene müsse Stellung nehmen können und das Medium dürfe ihn
       nicht vorverurteilen.
       
       Nur ausnahmsweise könne ein Betroffener einen „klarstellenden Nachtrag“ im
       Onlinearchiv verlangen, etwa wenn ein Freispruch erfolgte. Es genüge aber
       nicht, dass (wie im Fall des Unternehmensberaters) kein
       Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Dies könne viele Gründe haben und
       stelle keinen Unschuldsnachweis dar.
       
       30 Jul 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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