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       # taz.de -- Regisseur Alan Parker ist tot: Der Quereinsteiger
       
       > „Fame“, „Evita“, „Mississippi Burning“ – Alan Parker hat mit seinen
       > Filmen politische Kunstwerke geschaffen. Am Freitag starb der Regisseur
       > im Alter von 76 Jahren.
       
   IMG Bild: Wurde 2002 sogar von der Queen zum Ritter geschlagen: Regisseur Sir Alan Parker
       
       London/Berlin dpa/taz | Vor jedem Dreh schrieb Alan Parker seiner Crew
       einen Brief: „Ihr Lieben, wir sind kurz davor, einen neuen Film zu beginnen
       (...).“ Mit typisch englischem Understatement wollte er sie einschwören auf
       seinen, auf ihren neuen Film: „Wir versuchen immer, alles zu riskieren, und
       mit etwas Glück schaffen wir das manchmal.“ Riskieren, das konnte Parker,
       der für seinen ersten Film eine Hypothek auf sein Haus aufnahm. Am Freitag
       starb der Regisseur nach langer Krankheit, wie eine Sprecherin der Familie
       mitteilte.
       
       Am Valentinstag 1944, während gerade Bomben der deutschen Luftwaffe auf
       London fielen, wurde Alan Parker geboren. Mit einer Schneiderin als Mutter
       und einem Maler als Vater wuchs er in einer Sozialwohnung [1][im damaligen
       Arbeiterviertel Islington] auf. „Jeder, den ich kannte, wollte in einer
       Band sein, um dieser Welt zu entfliehen“, erzählte Parker später der
       britischen Zeitung Guardian.
       
       Parker entfloh der Siedlung durch Bildung: Als erstes Kind des Wohnblocks
       besuchte er ein Gymnasium. Arbeitete sich vom Laufburschen in der
       Poststelle einer Werbeagentur hoch zum Texter und entfremdete sich so von
       seinen Eltern. Dem Independent erzählte er später: „Es geht nicht darum,
       jemanden nicht zu lieben, es ist nur so, dass du nicht mehr Teil seiner
       Welt bist.“
       
       Im leerstehenden Keller der Werbeagentur experimentierte Parker mit Film.
       Er gründete zusammen mit dem Produzenten Alan Marshall eine Firma und
       drehte in den 70er Jahren Hunderte von Werbeclips – das war seine
       Filmschule. Sein Vorbild waren Ken Loach und dessen Sozialdramen.
       
       ## Kinder und Gangster
       
       Schon als Texter schrieb Parker Drehbücher, die BBC habe allerdings alle
       abgelehnt: „Wir wurden in dieser Welt nicht akzeptiert“, erklärte Parker
       dem Telegraph. Der Sender sei damals voller Absolventen von
       Elite-Universitäten gewesen.
       
       Seinen ersten Kinofilm finanzierte er, indem er eine Hypothek auf sein Haus
       aufnahm – heraus kam das Filmmusical „Bugsy Malone“ (1976) mit Kindern als
       Darstellern, darunter Jodie Foster. Das Drehbuch der Gangsterparodie
       basierte auf den Geschichten, die Parker seinen vier Kindern auf langen
       Autofahrten erzählte. Für Parker war es die Möglichkeit, um als
       Quereinsteiger in Hollywood zu landen. Und es war der Beginn einer
       lebenslangen Konkurrenz mit dem anderen britischen Werbefilmer und
       Hollywood-Regisseur, Ridley Scott.
       
       Als nächstes machte er etwas völlig anderes: das Gefängnis-Drama „Midnight
       Express“ nach einer wahren Geschichte. Auch Film und Regie wurden für
       Oscars nominiert; doch nur Oliver Stone gewann einen für die
       Drehbuchadaption und Giorgio Moroder einen für die Filmmusik. Es folgten so
       unterschiedliche Werke wie „Birdy“ mit Matthew Modine und Nicolas Cage über
       die Folgen des Vietnamkriegs, [2][„Pink Floyd – The Wall“], „Evita“ und
       „Die Asche meiner Mutter“.
       
       ## Die Suche nach Ruhm
       
       Und natürlich „Fame“ (1980) über das harte Auswahlverfahren und Studium an
       einer New Yorker Akademie für darstellende Künste. „Fame“ sei ein
       ironischer Titel. Diese Leute seien verzweifelt auf der Suche nach
       Berühmtheit und Erfolg, sagte Parker dem „Independent“.
       
       Mit dem Film [3][„Mississippi Burning – Die Wurzel des Hasses“] brachte
       Parker Ende der 1980er Jahre einen gesellschaftskritischen Krimi über
       Rassismus in den USA auf die Leinwand. Der Film bekam den Oscar für die
       beste Kamera und wurde für sechs weitere Oscars nomminiert.
       
       Doch nicht nur im Film war Parker kreativ. Er schrieb Essays und Romane,
       zeichnete Cartoons. Vor einigen Jahren überraschte er die Filmwelt, als er
       seinen Ruhestand mit den Worten ankündigte: „Regisseure verbessern sich
       nicht im Alter.“ In der Schublade ein dicker Packen bisher unverfilmter
       Drehbücher.
       
       Stattdessen griff Parker zu Pinsel und Farbe: „Es war erfrischend, selbst
       kreativ zu sein, ohne die Hilfe von 100 anderen Menschen“, sagte er dem
       Guardian. „Ich kann ehrlich sagen, dass die letzten Jahre, seit ich mich
       ganz auf das Malen konzentriert habe, die schönsten meines Lebens waren.“
       
       1 Aug 2020
       
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