# taz.de -- Kritik an Dänemarks Klimapolitik: Holz, das den Wald zerstört
> Baltische NaturschützerInnen schlagen Alarm: Für Pelletsheizungen in
> Dänemark werden Bäume in Estland gefällt.
IMG Bild: Für Pelletsheizungen in Dänemark werden Bäume in Estland gefällt
STOCKHOLM taz | Die Unterschriften von 220 WissenschaftlerInnen und
VertreterInnen von 32 Naturschutzorganisationen trägt ein offener Brief,
den Regierung und Parlament in Kopenhagen jetzt bekommen haben.
Initiiert von der Naturschutzorganisation Estonian Forest Aid wird Dänemark
angeklagt, eine verantwortungslose Klimapolitik zu betreiben. Denn der
Holzhunger des Landes gefährde im Baltikum die Wälder. Er forciere die
dortigen Kahlschläge, zerstöre die biologische Vielfalt und lasse zu allem
Übel auch noch die Fähigkeit der Wälder, Kohlendioxid zu binden, immer
weiter schrumpfen.
Dänemark gehört zu den europäischen Ländern, in denen am meisten Holz zur
Erzeugung von Energie verwendet wird. Die DänInnen lieben ihre Kaminöfen.
Und was an Energieholz nicht da verbrannt wird, landet in den
Fernwärmewerken. Knapp zwei Drittel der erneuerbaren Energieproduktion des
Landes beruht auf der Verbrennung von vorwiegend Holzbiomasse, nur das
restliche Drittel liefern Wind und Sonne.
Und weil Dänemark gleichzeitig das EU-Land mit der viertkleinsten
Waldfläche ist, müssen 94 Prozent des Energieholzes importiert werden. Ein
Fünftel kommt aus Estland, was Dänemark dort zum größten Holzexportziel
macht. 58 Prozent der in Estland für den Export produzierten Holzpellets
gehen nach Dänemark.
## Starke Holzlobby
Die Folge? Die Wälder Estlands gehörten zu den am intensivsten
bewirtschafteten in der ganzen EU, sagt Martin Luiga von Estonian Forest
Aid: „Und eine starke Holzlobby macht dauernden Druck, immer mehr und noch
mehr Wald fällen zu können.“ Nachhaltig sei eine Holzentnahme von
allenfalls 8 Millionen Kubikmetern im Jahr. Derzeit liege diese aber
bereits bei über 10 Millionen. Und Graanul Invest, einer der größten
Waldbesitzer des Landes, möchte laut Estonian Forest Aid sogar 15 Millionen
Kubikmeter fällen.
Statistisch gelte die Verbrennung von Holz zwar als „klimaneutral“, weil
dabei nur so viel CO2 freigesetzt werde, wie das Holz vorher während des
Wachstums aus der Atmosphäre aufgenommen habe. Aber zum einen gebe es den
Zeitfaktor: Durch Verbrennung werde das Klimagas jetzt freigesetzt, während
es viele Jahre dauere, bis neues Wachstum es wieder absorbiere.
Und die Rechnung gehe auch nur bei nachhaltiger Waldbewirtschaftung auf.
„Dänemark brüstet sich damit, führend bei der Klimaumstellung zu sein“,
heißt es in dem nun veröffentlichtem Brief: „Aber leider unterschlägt die
dänische Regierung dabei die Forschungserkenntnisse über Holzbiomasse.“
An die politisch Verantwortlichen in Kopenhagen und Aarhus, den beiden
größten Städten Dänemarks, wird appelliert, den Import von Holz zum
Verbrennen in ihren Fernwärmewerken zu stoppen. „Kopenhagen gibt sich gern
das Etikett, eine ‚grüne Hauptstadt‘ zu sein“, kritisiert Luiga: „Aber als
grüne Stadt hat man doch auch eine Verantwortung dafür, mit seiner Politik
nicht die Umweltsituation an anderer Stelle zu verschlechtern.“
Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und die zum
Friends-of-Earth-Netzwerk gehörende dänische Noah haben schon lange
kritisiert, in welchem Umfang Dänemark seine Klimapolitik auf die
Verbrennung von Holzbiomasse gründet. „Damit steigern wir global die
Nachfrage nach Holz und sind deshalb für Waldrodungen und die Übernutzung
der Wälder mitverantwortlich“, sagt Bente Hessellund Andersen von Noah.
Bislang beschränkten sich die Regierung und die Betreiber der
Fernwärmewerke auf das Kriterium, Energieholz nutzen zu wollen, das „so
nachhaltig wie möglich“ produziert worden sei.
4 Aug 2020
## AUTOREN
DIR Reinhard Wolff
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