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       # taz.de -- Nordirischer Friedensnobelpreisträger: John Hume ist gestorben
       
       > Für sein Wirken im Friedensprozess in Nordirland hat der Politiker Preise
       > erhalten. In der Krisenprovinz kämpfte er für soziale Gerechtigkeit.
       
   IMG Bild: Der nordirische Friedensnobelpreisträger John Hume ist tot
       
       Fanore taz | John Hume hat viel erreicht in seinem Leben. Das Wichtigste
       war der nordirische Friedensprozess, der am Karfreitag 1998 in das
       Belfaster Abkommen mündete, das der britischen Krisenprovinz relativen
       Frieden brachte.
       
       Hume verfolgte von Anfang an eine friedliche Strategie, als der Konflikt
       Ende der sechziger Jahre ausbrach. 1970 gründete er die Sozialdemokratische
       und Arbeiterpartei SDLP, für die er ins Londoner Unterhaus und später auch
       ins Europaparlament einzog. Seine Strategie führte zu Anfeindungen auch im
       eigenen Lager, weil viele ihn als Abwiegler bezichtigten.
       
       Aber seit den achtziger Jahren arbeitete er insgeheim mit dem damaligen
       [1][Sinn-Féin-Präsidenten Gerry Adams] an einer Friedensstrategie, weil er
       wusste, dass sich ohne Sinn Féin und ihren bewaffneten Flügel, die
       Irisch-Republikanische Armee (IRA), nichts bewegen würde. Als auch der
       damalige Unionistenchef David Trimble in den Friedensprozess einstieg,
       konnte man das Karfreitagsabkommen unter Dach und Fach bringen. Hume und
       Trimble erhielten dafür den Friedensnobelpreis, Adams ging leer aus.
       
       Hume wurde 1937 in Derry geboren, das die Protestanten Londonderry nennen,
       seit sie sich im 17. Jahrhundert erfolgreich gegen die Belagerung der
       Truppen des katholischen Königs Jakob II. gewehrt hatten. Danach
       beherrschte die protestantische Minderheit die Stadt 300 Jahre lang
       uneingeschränkt. Bis Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts durften
       nur Hausbesitzer bei Gemeindewahlen wählen, und das waren mehrheitlich die
       Protestanten, die im Übrigen auch die Vergabe von Jobs und Sozialwohnungen
       kontrollierten.
       
       ## Aus einfachen Verhältnissen
       
       Hume stammte aus einfachen Verhältnissen, sein Vater war 20 Jahre lang
       arbeitslos, seine Mutter nähte in Heimarbeit Hemdkragen für eine Fabrik.
       Die Eltern mussten sich oft Geld borgen, um die Kinder großzuziehen. Sie
       mussten dafür hohe Zinsen zahlen. Hume hatte Glück, als die Stipendien für
       Oberschulen eingeführt wurden. Er bestand das Examen auf Anhieb. Seine
       Eltern hätten das nie bezahlen können.
       
       Wie es in katholischen Familien üblich war, sollte er als ältester Sohn
       eigentlich Priester werden, aber er studierte dann doch Lehramt. „Ich habe
       als Lehrer gelernt, das man auch für die klügsten Schüler Dinge mindestens
       20-mal wiederholen muss“, sagte er später. „Das habe ich auch in der
       Politik so gehalten.“
       
       Aufgrund seiner Erfahrungen mit den Geldnöten der Eltern gründete Hume
       Irlands erste Kreditgenossenschaft für Arbeiter und Arbeitslose.
       Gleichzeitig engagierte er sich für soziale Gerechtigkeit und gründete eine
       Häuserkooperative, um der Bevorzugung von Protestanten bei der Vergabe von
       Sozialwohnungen entgegenzuwirken. Wenn er in seinem Leben nichts anderes
       getan hätte, als die Kreditgenossenschaften zu gründen, hätte er viel
       erreicht, sagte er einmal.
       
       Aber die Preise hat er für seine Friedensarbeit erhalten. Neben dem
       [2][Friedensnobelpreis] wurde er auch mit dem Gandhi-Friedenspreis und dem
       Martin-Luther-King-Friedenspreis ausgezeichnet. Letzteren verlieh man ihm
       an seinem 62. Geburtstag am 18. Januar 1999, dem Todestag von Martin Luther
       King.
       
       Hume wohnte mit seiner Frau Pat in einem Reihenhaus in der Bogside, einem
       katholischen Viertel von Derry, bis er vor vielen Jahren an Alzheimer
       erkrankte und in ein Pflegeheim musste. Dort ist er am Montag im Alter von
       83 Jahren gestorben.
       
       3 Aug 2020
       
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