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       # taz.de -- Auf Umschuldung geeinigt: Argentinien doch nicht pleite
       
       > Die Regierung hat sich mit den wichtigsten Gläubigern auf einen
       > Schuldentausch geeinigt. Die Vereinbarung ist mehr als nur eine
       > Atempause.
       
   IMG Bild: Die Plakate in Buenos Aires fordern einen Schuldenschnitt, stattdessen wurde umgeschuldet
       
       Buenos Aires taz | Argentinien schuldet um. In der Nacht auf Dienstag
       einigte sich die Regierung in Buenos Aires mit seinen wichtigsten
       Gläubigern auf einen Schuldentausch. Für Präsident Alberto Fernández ist es
       der erste große Erfolg in seiner knapp achtmonatigen Amtszeit. „In den
       kommenden zehn Jahren müssen wir 37,7 Milliarden Dollar weniger zahlen“,
       verkündete der sichtlich erleichterte Mitte-links-Politiker.
       
       Wichtiger als die Reduzierung der Schuldensumme ist jedoch, dass
       Argentinien in den kommenden drei Jahren einen Schuldendienst von lediglich
       4,5 Milliarden Dollar aufbringen muss, statt den bisher in den Büchern
       stehenden rund 41 Milliarden Dollar. Bedeutsam ist auch, das Argentinien
       das Label der Zahlungsunfähigkeit abstreifen wird, das ihm die
       internationalen Ratingagenturen im März angeheftet hatten, nachdem es eine
       fällige Zinstilgung nicht geleistet hatte.
       
       Beides verschafft dem nicht erst durch die wirtschaftlichen Folgen der
       Coronapandemie schwer gebeutelten Land eine dringend notwendige finanzielle
       Atempause [1][und öffnet den Zugang zum internationalen Kreditmarkt].
       Letzteres ist nicht nur für den Staat wichtig, sondern vor allem für die
       privaten Unternehmen, um die eingebrochene Wirtschaft wieder anzukurbeln.
       
       Bei der jetzt erzielten Übereinkunft geht es um den Umtausch 21 alter
       Anleihen im Wert von 66 Milliarden Dollar in zehn neue Anleihen, verbunden
       mit einer Schuldenreduzierung. [2][Mitte April hatte Wirtschaftsminister
       Martín Guzmán ein erstes Angebot vorgelegt, das einen Schuldenschnitt um
       41,5 Milliarden Dollar sowie eine dreijährige Tilgungspause vorsah].
       Dreimal musste Guzmán das Angebot nachbessern, bis am vergangenen
       Wochenende mit den drei wichtigsten Gläubigergruppen der Durchbruch zur
       Einigung gelang.
       
       „Die Vereinbarung ist ein gutes Ergebnis und ein Angebot, das alle
       Gläubiger annehmen sollten“, heißt es in einer Stellungnahme der Gläubiger,
       darunter auch der US-Investmentfonds BlackRock. Bis 24. August soll die
       Vereinbarung von der erforderlichen Mehrheit der Gläubiger unterzeichnet
       werden.
       
       ## US-Investmentfonds forderte mehr
       
       BlackRock hatte bis zuletzt eine weitere Nachbesserung des
       Regierungsangebots gefordert. Noch Anfang vergangener Woche drohte der
       weltgrößte Vermögensverwalter in einem Brief an Wirtschaftsminister Martín
       Guzmán mit dem Scheitern der Umschuldung. Man habe eine Mehrheit der
       Gläubiger zusammen, mit der jegliche Vereinbarung blockiert werden könne,
       [3][heißt es darin].
       
       [4][“BlackRock Matter“ karikierte bissig die argentinische Tageszeitung
       Página/12 das Gebaren des US-Investmentfonds], der mit rund 9 Milliarden
       Dollar Argentiniens größte privater Einzelgläubiger ist. Mehrfach hatte
       BlackRock versucht, Wirtschaftsminister Guzmán zu umgehen. Der hatte stets
       die mit Präsident Fernández abgesprochenen Angebote vorlegt, sich bei
       Gesprächen stoisch und hartnäckig darauf bezogen und akribisch auf jede
       Kleinigkeit geachtet.
       
       Vor seiner Ernennung zum Wirtschaftsminister hatte der 37-Jährige an
       US-Universitäten über die Verschuldungsproblematik geforscht und gelehrt
       und dabei sämtliche wichtigen internationalen Umschuldungvereinbarungen
       analysiert. „Niemand hat Martín Guzmán mehr vertraut als ich“, bedankte
       sich der Präsident bei seinem Wirtschaftsminister.
       
       Unterstützung bekam Guzmán auch von seinem akademischen Ziehvater, Joseph
       Stiglitz. Der Wirtschaftsnobelpreisträger hatte die „widerspenstig Haltung“
       der Gläubiger angeprangert und davor gewarnt, dass eine „zu späte
       Umstrukturierung lediglich die Voraussetzungen für eine weitere Krise“
       schaffe.
       
       „Während die COVID-19-Pandemie tobt, müssen mehr als 100 Länder mit
       niedrigem und mittlerem Einkommen in diesem Jahr noch einen Schuldendienst
       in Höhe von insgesamt 130 Milliarden Dollar leisten – rund die Hälfte davon
       bei privaten Gläubigern“, [5][schrieb er zusammen mit Hamid Rashid, dem
       Leiter der Abteilung für ökonomische Analyse und Politik der Vereinten
       Nationen].
       
       Da sich aktuell die wirtschaftliche Aktivitäten und die Steuereinnahmen im
       freien Fall befänden, werde es bei vielen Ländern zum Zahlungsausfall
       kommen. Andere würde ihre knappen Ressourcen zusammenkratzen, um die
       Gläubiger auszuzahlen und so dringend benötigte Gesundheits- und
       Sozialausgaben reduzieren.
       
       5 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schuldenkrise-in-Argentinien/!5679270/
   DIR [2] /Argentinien-in-der-Schuldenkrise/!5681578/
   DIR [3] https://drive.google.com/file/d/1t3B3PK7Mma7DD8HpUo03Ysla8whIIhFT/view
   DIR [4] https://www.pagina12.com.ar/humor/rudy_paz/278030
   DIR [5] https://www.project-syndicate.org/commentary/how-to-prevent-looming-debt-crisis-developing-countries-by-joseph-e-stiglitz-and-hamid-rashid-2020-07
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Vogt
       
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