URI: 
       # taz.de -- Nach Explosion im Libanon: Hausarrest und erste Hilfsgüter
       
       > Nach der Detonation mit 135 Toten in Beirut gehen Ermittler dem Vorwurf
       > der Fahrlässigkeit nach. Hafenmitarbeiter stehen unter Hausarrest.
       
   IMG Bild: Die Detonation riss einen Krater mit einem Durchmesser von 200 Meter in den Boden
       
       Beirut ap | Nach der [1][verheerenden Explosion in der libanesischen
       Hauptstadt] Beirut gehen Ermittler Vorwürfen der Fahrlässigkeit nach. Im
       Zentrum der Ermittlungen steht die jahrelange Lagerung von 2.750 Tonnen
       Ammoniumnitrat im Hafen, die sich Vermutungen zufolge entzündet hat und
       Ursache der Explosion war. Am Mittwoch ordnete die Regierung Hausarrest für
       eine nicht näher genannte Zahl von Hafenmitarbeitern an.
       
       Bei der Explosion am Dienstag waren nach Angaben des
       Gesundheitsministeriums 135 Menschen getötet und etwa 5.000 verletzt
       worden. Teile der Stadt wurden zerstört. In der Bevölkerung brach sich
       [2][Wut gegen die herrschende Elite] Bahn, die für chronisches
       Missmanagement und Sorglosigkeit verantwortlich gemacht wird. Der Hafen von
       Beirut und die Zollbehörde sind einige der korruptesten und lukrativsten
       Institutionen des Libanons. Zahlreiche Gruppierungen, Politiker und selbst
       [3][die radikalislamische Hisbollah] haben dort Einfluss.
       
       Die Explosion im Hafen gilt als die heftigste Detonation, die in der
       libanesischen Hauptstadt je vorgekommen ist. Dort wurde die
       Chemikalienladung verwahrt, seitdem sie 2013 von einem Frachtschiff
       beschlagnahmt wurde. Sprengstoffexperten und Videomaterial legten nahe,
       dass der Stoff in Verbindung mit einem Feuer hochgegangen sein könnte, das
       in einer nahen Lagerhalle mit Feuerwerkskörpern ausbrach.
       
       Erste internationale Hilfslieferungen trafen per Flugzeug ein. Die
       Weltgesundheitsorganisation hatte am Mittwoch die Lieferung von
       medizinischen Hilfsgütern angekündigt, die für Tausende Behandlungen von
       Opfern reichen sollten, teilte WHO-Sprecher Tarik Jasarevic mit. Etliche
       Länder waren den Hilferufen der Regierung gefolgt und hatten zugesagt,
       Flugzeuge mit Rettungs- und Fachkräften sowie medizinischen Gütern und Geld
       zu schicken. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron kündigte für
       Donnerstag einen Besuch in Beirut an.
       
       ## Aoun verspricht Transparenz
       
       Die finanzielle Schäden durch die Explosion betrügen zwischen 10 und 15
       Milliarden Dollar (8,4 bis 12,6 Milliarden Euro), sagte der Gouverneur von
       Beirut, Marwan Abboud, dem saudischen Fernsehsender al-Hadath. Beinahe
       300.000 Menschen hätten ihr Zuhause verloren.
       
       „Beirut, wie wir es kannten, ist weg, und die Leute werden ihre Leben nicht
       wieder aufbauen können“, sagte Amy, eine Frau, die Glas in einer kleinen
       Seitenstraße wegfegte, wo zuvor ein Ausstellungsraum eines bekannten
       libanesischen Designers gewesen war. „Das ist die Hölle. Wie werden die
       Leute überleben? Was werden sie tun?“, fragte sie und machte Beamte für den
       Mangel an Verantwortungsbewusstsein und „Dummheit“ verantwortlich.
       
       Die libanesische Regierung rief nach einer Kabinettssitzung am Mittwoch
       einen zweiwöchigen Ausnahmezustand aus. Er gibt dem Militär in diesem
       Zeitraum volle Befugnisse. Die Ermittlung zu der Katastrophe werde
       transparent sein, versprach Präsident Michel Aoun vor der Kabinettssitzung.
       Die Verantwortlichen sollten zur Rechenschaft gezogen werden. „Es gibt
       keine Worte, um die Katastrophe zu beschreiben, die Beirut letzte Nacht
       getroffen hat.“
       
       ## Suche nach Vermissten
       
       Rund um den Explosionsort bot sich am Tag nach der Katastrophe ein Bild des
       Schreckens. Die Detonation riss einen Krater mit einem Durchmesser von rund
       200 Metern in den Hafen, der sich mit Meerwasser füllte – als ob das Meer
       ein Stück des Hafens abgebissen und Gebäude verschluckt hätte. Von dem
       Komplex stieg noch immer Rauch auf, weite Teile des Zentrums waren mit
       beschädigten Fahrzeugen und Schutt übersät, der von erschütterten
       Häuserfassaden herabgeregnet war.
       
       Zahlreiche Menschen wurden nach der Explosion vermisst. Angehörige baten
       über soziale Medien verzweifelt um Hilfe bei der Suche nach ihren
       Verwandten. Auf Instagram tauchte die Seite mit Vermissten auf,
       Radiomoderatoren verlasen die Namen von Verschwundenen und Opfern. Viele
       Bewohner Beiruts zogen bei Freunden oder Verwandten ein, weil ihre
       Wohnungen zerstört wurden. Verletzte behandelten sich selbst, weil die
       Krankenhäuser überlastet waren. Ärzte baten die Bevölkerung um Blutspenden
       und Generatoren für Strom.
       
       Mit der Zerstörung seines wichtigsten Hafens stellt sich auch die Frage,
       wie der [4][von einer schweren Wirtschaftskrise gebeutelte Libanon] künftig
       versorgt wird, der mehr als eine Million Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem
       benachbarten Syrien aufgenommen hat. Das Land befindet sich in einer
       massiven Währungskrise, hinzu kommt die Corona-Pandemie. Viele Menschen
       hatten bereits ihren Job verloren, Ersparnisse schrumpften aufgrund der
       Inflation.
       
       6 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-Explosion-in-Beirut/!5700273
   DIR [2] /Folgen-der-Katastrophe-in-Beirut/!5700224
   DIR [3] /Israel-und-die-Hisbollah-im-Libanon/!5609777
   DIR [4] /Wirtschaftskrise-im-Libanon/!5700059
       
       ## TAGS
       
   DIR Libanon
   DIR Beirut
   DIR Libanon
   DIR Beirut
   DIR Libanon
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Folgen der Katastrophe in Beirut: Nicht die letzte Erschütterung
       
       Wenn sich die Trauer der Libanesen in Wut verwandelt, werden sehr
       wahrscheinlich starke politische und soziale Erschütterungen folgen.
       
   DIR Nach Explosion in Beirut: Stimmen aus einer verwüsteten Stadt
       
       Eine gigantische Explosion hat die halbe Hauptstadt des Libanon zerstört.
       Die Anwohner*innen fühlen sich im Stich gelassen.
       
   DIR Explosion im Libanon: Beirut wird „Katastrophen-Stadt“
       
       Die durch die Detonation entstandenen Schäden betreffen laut Gouverneur die
       halbe Stadt. Bis zu 300.000 Menschen könnten obdachlos geworden sein.