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       # taz.de -- Krieg in Libyen: Risse in der Regierungsallianz
       
       > Der Regierungschef in Tripolis entlässt seinen Innenminister. Der
       > unterhält die schlagkräftigste Truppe der Regierung: die Milizen aus
       > Misrata.
       
   IMG Bild: Verschwand nach der Entlassung seines Ministers von der Bildfläche: Premier Sarradsch
       
       Tunis taz | Ein langer Konvoi von 300 brandneuen Toyota-Jeeps schob sich am
       Samstagabend durch den Feierabendstau an der Corniche von Tripolis.
       Uniformierte schauten mit ernster Miene von den Ladeflächen auf die
       genervten Passanten, die den entstandenen riesigen Verkehrsstau mit
       Kopfschütteln quittierten.
       
       Eine Woche zuvor waren unweit der Hafenpromenade Schüsse gefallen. Junge
       Hauptstädter hatten gegen die immer weiter um sich greifende Korruption der
       Behörden und die stundenlangen Stromausfälle demonstriert – und [1][die
       Milizen, die Tripolis kontrollieren, antworteten mit Gewalt].
       
       Nach dem Ende der über einjährigen Belagerung von Tripolis durch die
       ostlibysche Armee von General Chalifa Haftar hat sich auch das Verhältnis
       der Verteidiger von Tripolis zur Bevölkerung dramatisch verschlechtert. Die
       libysche Hauptstadt war vor allem wegen des massiven Engagements von
       bewaffneten Gruppen aus der 200 Kilometer entfernten Hafenstadt Misrata
       nicht in die Hände von Haftars Libyscher Nationalarmee“ (LNA) gefallen.
       Doch schon während des Krieges äußerten sich viele Tripolitaner gegenüber
       allen Kriegsparteien kritisch.
       
       Der 27-jährige Osama Tawil ist einer der Menschen, der mit seinen Freunden
       auf die Straße ging. „Wir wollen, dass diejenigen, die Tripolis
       kontrollieren, endlich für Sicherheit, eine gute Infrastruktur und Ordnung
       sorgen. Wer das macht, ist mir schon lange egal“, so der Architekt am
       Telefon. Am ersten Tag des Protests wurden die mit weißen Fahnen durch die
       Stadt marschierenden Bürger von der dem Innenministerium unterstehenden
       Nawasi-Miliz beschossen, einige Festgenommene sitzen als angebliche
       Gaddafi-Anhänger immer noch in deren Gefängniszellen.
       
       Am Samstag hat der Premier der Einheitsregierung, Fajis al-Sarradsch, den
       Innenminister abgesetzt. Der aus Misrata stammende und gleichzeitig als
       Verteidigungsminister amtierende Fathi Bashaga solle sich wegen des
       Beschusses der friedlichen Demonstranten einer Anhörung stellen, forderte
       al-Sarradsch. Bashaga stimmte unter der Bedingung zu, dass die Befragung
       live im Fernsehen übertragen würde.
       
       ## Konkurrenzkampf in Tripolis
       
       Viele Beobachter gehen davon aus, dass hinter dem Vorstoß gegen Bashaga ein
       Konkurrenzkampf steckt. Die Integration der Hauptstadtmilizen in die
       offiziellen Sicherheitsstrukturen war ironischerweise das zentrale Projekt
       des 54-jährigen Bashaga gewesen, um die Regierung im Westen Libyens zu
       stärken, und machte ihn schon vorher zum Feind der Hauptstadtmilizen.
       
       In Kairo und Ankara, den Hauptstädten der wichtigsten regionalen
       Unterstützer der beiden libyschen Konfliktparteien, blickt man mit Sorge
       auf die Risse in der westlibyschen Regierungsallianz. Die Einheiten aus
       Misrata halten die Front gegen Haftars LNA nahe der Stadt Sirte – wenn sie
       ihre eigenen Wege gehen, ist die aktuelle Ruhe in Gefahr.
       
       Der ägyptische Außenminister Samih Schukri forderte am Samstag bei einem
       Besuch der UN-Libyenmission (Unmil) die Rückkehr zu Friedensgesprächen.
       Unmil-Chefin Stephanie Williams aus den USA warnt seit Wochen davor, dass
       die derzeitige Waffenruhe zwischen ost- und westlibyschen Gruppen ohne
       einen detaillierten Vertrag und eine internationale Überwachungsmission
       jederzeit zusammenbrechen könne.
       
       Fathi Bashaga und der Chef des Präsidialrats, Chaled al-Meschri, reisten
       derweil in die Türkei. Während Bashaga mit seinem Milizenkonvoi in Tripolis
       am Samstag seine Macht auch ohne Amt demonstrierte, blieb Sarradsch von der
       Bildfläche verschwunden.
       
       31 Aug 2020
       
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   DIR Mirco Keilberth
       
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