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       # taz.de -- Gamescom 2020 mit wenig Innovation: Virtuelle Worthülsen
       
       > Wegen Corona musste die Gamescom ins Internet verlegt werden. Frische
       > Ideen gab es trotzdem nur aus den Independent-Studios.
       
   IMG Bild: Gezockt wurde in diesem Jahr nicht in der Messehalle in Köln – sondern zu Hause
       
       Bis zum Schluss blieb die Hoffnung, dass da noch etwas kommt. Dass neben
       all den kurzen Trailern, den Werbeeinblendungen und Livestreams mit
       Youtubern noch so was wie eine Botschaft aufkommt: Und so soll es
       weitergehen mit dem Medium Videospiel. Doch da kam nichts – diese Gamescom
       blieb richtungslos.
       
       [1][Gamescom, das ist die Messe in Köln], die 2019 noch 373.000
       Besucher*innen zählte und damit die weltweit größte Videospielmesse ist.
       Digital wie Games nun mal sind, fand die Gamescom 2020 online statt. In
       unterschiedlichen Streams und auf einem virtuellen Messegelände wollten
       große und kleine Hersteller*innen die Games zeigen, die in den kommenden
       Monaten die Spielelandschaft bestimmen sollen.
       
       Schon auf dem Eröffnungsevent, der „Opening Night Live“, zeigte sich, dass
       zwar laut getönt wird, jedoch wenig Substanz dahinter ist. Neu angekündigte
       Spiele gab es kaum, und wenn doch, dann handelte es sich meist um Remakes,
       Remaster oder Portierungen – um Spiele, die bereits existieren und nun,
       etwas aufpoliert, noch mal in den Verkaufsregalen platziert werden.
       
       Und diese Substanzlosigkeit, zog sich auch durch die darauffolgenden drei
       Messetage. Hie und da gab es neue Infos zu bereits angekündigten Spielen;
       einen neuen Trailer vielleicht, oder Interviews mit Entwickler*innen, denen
       wie immer anzumerken war, dass sie nicht viel sagen können – schließlich
       sind sie zur Verschwiegenheit verpflichtet.
       
       ## Die „Next Gen“, was soll das sein?
       
       Sicherlich werden diese Jahre noch einige interessante Spiele erscheinen.
       „Cyberpunk 2077“ etwa, ein Rollenspiel mit einer riesigen Open World und
       dem Versprechen, sich nahezu grenzenlos in seiner Spielpersönlichkeit
       entfalten zu können. Zwar gewann das Spiel den ominösen Preis „Best of
       gamescom“, war aber derweil auf der Messe gar nicht präsent – wie so viele
       andere hochkarätige Spiele auch.
       
       Das verwundert, da Ende des Jahres [2][mit der PlayStation 5 und der Xbox
       Series X] neue Konsolen in den Regalen stehen werden. Eine neue
       Videospiel-Generation, die „Next Gen“, soll dann starten. Und man sollte
       meinen, dass nun der richtige Zeitpunkt wäre, den Spieler*innen zu
       vermitteln, was dieses Neue eigentlich sein wird. Bessere Grafikpower,
       sicherlich – aber wozu soll diese genutzt werden?
       
       Wohin es gehen kann, welche Möglichkeiten in den kommenden Jahren
       ausgeschöpft werden könnten – zumindest, wieso es sich für Spieler*innen
       lohnen soll, diesen Herbst mehrere Hundert Euro für neue Hardware
       auszugeben – diese Visionen fehlten auf der Gamescom 2020 vollkommen. Und
       mit ihnen ebenso eine kritische Auseinandersetzung mit der Branche
       selbst. In den letzten Wochen gab es erneut viele Vorwürfe sexuellen
       Missbrauchs bei diversen Videospielfirmen. Auch hier: keine Ideen, wie
       damit umzugehen ist, stattdessen Schweigen.
       
       ## Hoffnung aus den Indie-Studios
       
       Wie so oft waren es dann die Independent-Studios, die ein wenig frischen
       Wind in die Sache brachten. Die „Indie Arena Booth“, die sonst ein eigener
       kleiner Bereich der Gamescom ist, hat kurzum eine wirklich virtuelle
       Erfahrung geschaffen. Über die Internetseite konnten sich Spieler*innen
       registrieren und fanden sich daraufhin in einem Spiel wieder, in dem sie
       sich mit ihrer selbst erstellbaren Spielfigur über eine drollig animierte
       Messe bewegten. Hier konnten sie mit anderen Spieler*innen interagieren,
       sich Trailer ansehen und sogar Spielstationen vorfinden, an denen sie
       einige Indie-Spiele ausprobieren durften.
       
       Eine schöne Idee, die die Ideenarmut der großen Hersteller wieder einmal
       offenlegt. Denn schlussendlich ist es egal, wie pompös Spiele angekündigt,
       mit wie vielen Worthülsen eine Spielemesse beworben wird. Ist die Substanz
       nicht da, ist das alles nichts – egal ob virtuell oder vor Ort.
       
       1 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Matthias Kreienbrink
       
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