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       # taz.de -- Opfer von Rasern in Städten: Autos ausbremsen
       
       > Erneut führt ein vermutlich illegales Rennen zum Horrorcrash und Raser
       > können sich sicher fühlen. Es wird Zeit, dass die Verkehrspolitik radikal
       > wird.
       
   IMG Bild: Ein Lamborghini gerät in eine Polizeikontrolle auf dem Berliner Tauentzien, die Fußgänger freut's
       
       Zwei Frauen werden am Ende mit lebensgefährlichen Verletzungen ins
       Krankenhaus gebracht. Die ältere der beiden muss vor Ort zunächst
       wiederbelebt werden. Auch die jüngere kann erst befreit werden, nachdem ihr
       durch den Aufprall umgestürztes Auto von Ersthelfern wieder auf die Räder
       gestellt wird. Teile der Fahrzeuge fliegen bis zu 100 Meter weit durch die
       Gegend und verletzen zwei Passanten.
       
       Das ist die Bilanz eines Verkehrsunfalls auf dem Berliner Kurfürstendamm am
       späten Montagabend. Obwohl, Unfall, das klingt ja immer ein wenig nach
       Schicksal, nach Unvermeidbarkeit. Als ob alle Beteiligten vielleicht nicht
       korrekt, aber immerhin nicht mit Absicht falsch gehandelt haben.
       
       Hier aber war vermutlich das Gegenteil der Fall. Wieder einmal. [1][Laut
       Polizei haben Zeugen berichtet], dass sich drei Autos auf dem Ku’damm ein
       nächtliches Rennen geliefert hätten. Eins krachte in den Kleinwagen der
       beiden nun schwer verletzten Frauen. Die InsassInnen des zum Rennwagen
       umfunktionierten BMW flüchteten zu Fuß. Die FahrerInnen der beiden anderen
       Autos machten sich unerkannt aus dem Staub.
       
       Dieses Spiel mit dem Tod erfreut sich unter durchgeknallten Temposüchtigen
       wachsender Beliebtheit. In Dresden wurde vor einer Woche ein sechsjähriger
       Junge überfahren. Die Polizei ermittelt. Wegen eines illegalen Rennens. In
       Hannover wurden vor drei Wochen zwei Personen verletzt, weil sie in ein
       anderes Fahrzeug krachten, als sie vor der Polizei flüchteten. Nach einem
       illegalen Rennen. In Leipzig wurde Mitte Juli eine Frau verletzt, als ihr
       Auto gerammt wurde. Auch hier ist der Ermittlungsstand: illegales Rennen.
       Und das sind nur einige Meldungen aus den letzten Wochen.
       
       Sie zeigen ein beunruhigendes Schema. Opfer sind zumeist Unbeteiligte.
       Fußgänger und Insassen kleinerer Fahrzeuge. Die Raser in ihren
       hochgerüsteten Mobilmonstern kommen meist unverletzt davon. Denn sie spüren
       ja nicht nur den Kitzel der Power beim Druck aufs Gaspedal. Sie dürfen sich
       Dank Airbags und superstabilen Karosserien auch noch ungefährdet,
       unantastbar fühlen. Ein technisch begründeter Übermut mit fatalen Folgen.
       
       Was aber soll man dagegen tun? Reicht es schon, wenn man den Autofahren die
       zweite Spur nimmt, [2][damit ihnen schlicht der Platz fehlt, um
       nebeneinander zu rasen]? Soll man [3][den Kurfürstendamm zur Fußgängerzone]
       umwandeln? Oder besser noch [4][gleich die ganze Stadt]? Aus der [5][alle
       Autos verbannt] werden? Oder Raser nach einem Unfall wenigstens [6][als
       Mörder verurteilen]?
       
       Die Selbstverständlichkeit, mit der solche Forderungen nach jedem weiteren
       mörderischen Horrorcrash mittlerweile vorgetragen werden, ist ein guter
       Anfang. Das zeigt, dass sich etwas tut in Sachen Verkehrswende. Längst
       nicht mehr nur in den Köpfen radikaler Ökos, sondern auch auf den Straßen –
       wenn auch noch in homöopathischen Dosen.
       
       Da [7][poppen hier ein paar hundert Meter Radweg] auf, da wird dort [8][ein
       kleines Stück einer wichtigen Straße vom Auto befreit]. Aber all diese
       netten und absolut lobenswerten Ansätze sind ja keine Lösung. Sie
       verdeutlichen vielmehr jedes Mal aufs Neue das eigentliche Problem: das
       Vorhandensein von übermotorisierten Autos.
       
       Denn solange es sie gibt, solange sie in Städten eingesetzt werden dürfen,
       so lange wird es auch Raser geben. Eine mutige, eine zeitgemäße, eine
       überaus angemessene Verkehrspolitik müsste also als erstens dafür sorgen,
       dass alle Fahrzeuge, die schneller als die maximal erlaubten 50
       Stundenkilometer fahren können, in geschlossenen Ortschaften nichts mehr zu
       suchen haben.
       
       Das ist rechtlich schwierig? Nun, wenn Raucher aus Restaurants und
       Dieselfahrer aus Innenstädten verbannt werden können, weil sie mit ihrem
       Schadstoffausstoß eine tödliche Gefahr für ihre Mitmenschen darstellen,
       dann sollte das mit Fahrzeugen, die schneller als die erlaubten 50 km/h
       fahren können, auch möglich sein.
       
       Ach, mag man nun einwenden, die gibt es doch gar nicht. Stimmt. Aber die
       Herstellung von innenstadtadäquaten Fahrzeugen wäre doch mal eine echte
       Herausforderung für die darbende Autoindustrie. Und bis die so weit ist,
       würden Innenstädte plötzlich zum Paradies für PassantInnen. Da könnte es
       sogar mal wieder interessant sein, über den Ku’damm zu flanieren.
       
       1 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/polizeiberlin/status/1300709911953911808
   DIR [2] https://twitter.com/PBroytman/status/1300713574441115649
   DIR [3] https://twitter.com/rike_tweet/status/1300690540665745408
   DIR [4] https://twitter.com/ladyaltona/status/1300694860954034176
   DIR [5] https://twitter.com/hatice_akyun
   DIR [6] /Bundesgerichtshof-zu-Kudamm-Rennen/!5690123
   DIR [7] /Fahrrad-Boom-in-Corona-Pandemie/!5694408
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   DIR Gereon Asmuth
       
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