URI: 
       # taz.de -- Plan für Graben um Reichstag: Sumpf mit Bachblüten
       
       > Zur Sicherheit soll nun ein Graben vor den Reichstag. Eine gute Idee –
       > zumindest zur Renaturierung, mit Wasser und Seerosen. Aber gegen Nazis?
       
   IMG Bild: Sicher ist sicher: der Reichstag hinter einer Absperrung
       
       Eine Bachblüten- und Metalltherapeutin hat also [1][eine krude Versammlung]
       aus Nazis, Reichsbürgern, Trump- und Putin-Fans sowie vermutlich
       Globuliabhängigen und Echsenmenschenkritikern dazu gebracht, den Reichstag
       zu stürmen. Genauer: Sie hat diese paar hundert Volkskörper motiviert,
       einige Treppenstufen zu erklimmen, um sich dann von beherzten Polizisten
       zurückdrängen zu lassen. Das also sollte der „Sturm auf den Reichstag“
       sein? Angepfiffen von einer „undeutsch“ frisierten Frau, mit bloßen Händen
       von drei Wachtmeistern abgewehrt? Wenn das der Führer wüsste!
       
       Trotzdem ist das Entsetzen groß. Das darf nie wieder passieren, heißt es
       allerorten. Weshalb ein schon seit Jahren geplantes, aber im üblichen
       Berliner Verwaltungstrott bislang versumpftes Sicherheitskonzept rasch
       verwirklicht werden soll – [2][ein zehn Meter breiter und 2,5 Meter tiefer
       Graben], der das Volk zuverlässig abtrennt von „Dem Deutschen Volke“.
       
       Die Idee hat Charme. Den Gegner mit seinen eigenen Waffen schlagen! Bislang
       waren es eher die Reichsbürger selbst, die um irgendwelche Baracken in von
       wieder heimisch werdenden Wölfen bevorzugten Ödländern pompöse Wehranlagen
       errichtet haben, auf dass kein Mitglied der BRD GmbH ihnen in den maroden
       Hühnerstall blicke.
       
       Und es ist doch der Held der [3][unsicheren QAntonisten], the [4][Real
       Donald Trump], der stets die Errichtung massiver Grenzen verlangt. Berlin
       habe schlechte Erfahrungen mit Mauern gemacht, schrieb der Regierende
       Bürgermeister dem amerikanischen Präsidenten deshalb einst – und hat daraus
       jetzt etwas überraschend den Schluss gezogen, dass man dann beim nächsten
       Mal halt einen Graben nimmt. Wegen der Aussicht, vermutlich.
       
       ## Wie eine Horde Nacktmulle
       
       Was denn das für eine Symbolik sei, jammern nun die ewigen Bedenkenträger,
       den Sitz der Repräsentanten des deutschen Volkes vor den anderen
       Repräsentanten des deutschen Volkes mit mitteralterlichen
       Befestigungsanlagen abzugrenzen? Wozu habe man einst eine für Offenheit
       stehende gläserne Kuppel auf den ollen Angeberbau geflanscht, wenn man die
       Leute jetzt laut eben jenem neuen Sicherheitskonzept allen Ernstes wie
       [5][eine Horde Nacktmulle] durch unterirdische Gänge zum Hohen Haus
       krabbeln lassen will?
       
       Andererseits bietet sich symbolisch einiger Gestaltungsspielraum. Der
       Graben ließe sich mit Wasser füllen, wodurch ein schönes renaturiertes
       Feuchtgebiet entstehen könnte – ein erstes schwarz-grünes Vorzeigeprojekt
       auf Bundesebene! Wenn der Reichstag über der Wasserfläche aufragt, erinnert
       er ohnehin an eine prächtige Seerose, da könnte man ergänzend noch ein paar
       Bachblüten drauf herumtreiben lassen, und schon würde die nächste
       Reichstagsstürmerfraktion sich im Lotussitz zum Sonnengruß vor dem
       Parlament versammeln, statt auf den Stufen Krach zu schlagen.
       
       Aber wenn das jetzt die neue Taktik gegen Rechtsextreme ist – bekommt dann
       jeder Vertreter der Lügenpresse auch so einen Graben vors Haus? Stellen wir
       jedem von rassistischen Cops gebeutelten, irgendwie „undeutsch“ aussehenden
       Bürger zum Ausgleich einen Ordnungshüter aus der Bauserie der guten
       Polizisten von der Bundestagstreppe vor die Tür?
       
       Das Problem mit Nazis, Reichsbürgern und Wissenschaftsleugnern ist aber ja
       nicht, dass sie an prominenter Stelle plötzlich sichtbar werden. Das
       Problem mit ihnen ist, dass es sie gibt. Und dass sie das tun, was sie
       normalerweise tun, wenn sie mal nicht gerade für Pressefotos vor
       symbolischer Kulisse posieren: nämlich Andersdenkende, Andersaussehende und
       Schwächere diskriminieren, verprügeln und ermorden, sie zu infizieren oder
       ihnen die Lebensgrundlage zu zerstören.
       
       Dagegen hilft kein Graben vor einem Gebäude, dagegen hilft nur die
       Befestigung des gesellschaftlichen Bollwerks durch Bildung, Aufklärung und
       Sozialarbeit einerseits sowie konsequente Strafverfolgung andererseits.
       
       2 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Demo-gegen-Coronamassnahmen/!5706560
   DIR [2] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/kubicki-reichstag-graben-100.html
   DIR [3] /Umgang-mit-Verschwoerungsideologie-QAnon/!5704540
   DIR [4] /US-Praesident-Trump-in-Kenosha/!5712008
   DIR [5] /Neue-Studie-zum-Nacktmull/!5343874
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heiko Werning
       
       ## TAGS
       
   DIR Reichstag
   DIR Bundestag
   DIR Verschwörungsmythen und Corona
   DIR Tierforschung
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Reichstag
   DIR Transparenzgesetz
   DIR Verschwörungsmythen und Corona
   DIR Polizei Berlin
   DIR Reichstag
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Die vitalen Nacktmulle: Lockdown als Staatsform
       
       Wir sind erst seit Monaten im Lockdown, Nacktmulle schon immer. Von ihnen
       kann der Mensch lernen – über Gesundheit und das Altwerden.
       
   DIR Corona-Kritik mit NS-Begriff: Der „Volkskörper“ ist zurück
       
       Der Hamburger Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Walter Plassmann greift
       mit rechter Wortwahl die Coronamaßnahmen in Deutschland an.
       
   DIR Bobsens Späti: Was ist los in (der) Mitte?
       
       Warum fließt der Mainstream in Teilen plötzlich so weit am rechten Rand?
       Bitte, was? Plötzlich?
       
   DIR Beschluss für Graben um Reichstagsgebäude: Bundestag wird verklagt
       
       Das Transparenzportal „Frag den Staat“ verklagt das Parlament, weil es den
       Beschluss zum geplanten Graben vor dem Reichstagsgebäude nicht herausrückt.
       
   DIR Antisemitismus und Verschwörungstheorien: Schuster warnt vor Coronademos
       
       Vor drei Tagen protestierten Verschwörungsideolog*innen und Nazis in
       Berlin. Jetzt äußert sich der Zentralrat der Juden. Auch
       Polizeigewerkschaftler sind besorgt.
       
   DIR Debatte nach Corona-Protest am Reichstag: Wo war die Polizei?
       
       Vor dem Reichstag waren genug Beamte, sagt Berlins Polizeipräsidentin. Aber
       nicht mehr, als sie von zwei Seiten in die Zange genommen wurden.
       
   DIR Nach dem Nazi-Auftritt am Reichstag: Eine Frage des Abstands
       
       Berlins Innensenator Geisel sieht sich im Nachhinein in seinem
       Verbotsversuch bestätigt. Im Innenausschuss gerät er aber gehörig unter
       Druck.