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       # taz.de -- Bidens Vize Kamala Harris: Divers wie die USA
       
       > Die US-Demokratin Harris ist schwierig einzuordnen und wechselhaft in
       > ihren Positionen. Gerade das dürfte sie für Joe Biden interessant gemacht
       > haben.
       
   IMG Bild: Fand als Präsidentschaftskandidatin keine eindeutige Message: Kamala Harris
       
       Kamala Harris [1][soll als Vize des demokratischen
       US-Präsidentschaftskandidaten Joe Biden] am 3. November die Wahl gegen
       Amtsinhaber Donald Trump gewinnen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das die wohl
       beste Entscheidung, die Joe Biden treffen konnte.
       
       Wie Barack Obama 2008 ist auch Harris erst seit wenigen Jahren – seit sie
       2016 für Kalifornien in den Senat gewählt wurde – auf nationaler Ebene
       bekannt. Dort hat sie sich durch harte Befragungen einen Namen gemacht,
       etwa von Trumps Justizministern Jeff Sessions und William Barr, und dem
       damaligen Kandidaten für den obersten Gerichtshof, Brett Kavanaugh.
       
       Bei den Zwischenwahlen 2018, als die Demokrat*innen die Mehrheit im
       Repräsentantenhaus zurückgewannen, war sie im ganzen Land als Wahlkämpferin
       unterwegs. Demokrat*innen läuft das Wasser im Munde zusammen, wenn sie an
       die kommende Debatte der Vize-Kandidat*innen zwischen ihr und dem
       evangelikalen Mike Pence denken.
       
       Dass Harris' eigener Versuch, die Präsidentschaftskandidatur zu erobern,
       schon vor der ersten Vorwahl kläglich zu Ende ging, lag vor allem [2][an
       der Polarisierung innerhalb der Demokratischen Partei]. Zwischen dem linken
       Parteiflügel, der bestenfalls zwischen der Unterstützung für Bernie Sanders
       oder [3][Elizabeth Warren] schwankte, und den Zentristen des Washingtoner
       demokratischen Establishments, die sich schnell auf Biden geeinigt hatten,
       um Sanders zu verhindern, blieb einfach kein Raum. Für Harris genauso wenig
       wie für Pete Buttigieg, Beto O'Rourke oder gar Michael Bloomberg.
       
       ## Lernfähig oder opportunistisch?
       
       Harris lag zwischen den beiden Polen und fand keine eindeutige Message. Das
       war schlecht, um die Vorwahl zu gewinnen – gab ihr aber die Möglichkeit,
       von niemandem leidenschaftlich gehasst zu werden und schließlich Joe Biden
       zu unterstützen. Das nahm ihr zwar der progressive Flügel übel – aber mit
       dem trifft sie sich inhaltlich an vielen Punkten. Im Senat unterzeichnete
       sie [4][Sanders]' Gesetzentwurf für eine allgemeine Gesundheitsversorgung,
       mit der linken Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez stellte Harris
       gemeinsam die Idee eines [5][Green New Deal] vor.
       
       Sie ist für strengere Waffenkontrollgesetze, für eine engagierte
       Klimaschutzpolitik, will Fracking aus Umweltschutzgründen verbieten und hat
       sich in den letzten Monaten seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd
       klar an der Seite der Black-Lives-Matter-Bewegung positioniert.
       
       Gerade das Thema Polizeigewalt gegen Schwarze allerdings, dessen Virulenz
       sie jetzt als erste Schwarze Frau in diese neue Position gebracht hat, ist
       auch ihre größte Schwäche: Denn was sie in Kalifornien als Staatsanwältin
       gemacht hat, war das genaue Gegenteil: Sie schützte Polizist*innen vor
       Verfolgung und trieb die Inhaftierungsrate auch wegen kleinerer
       Drogenvergehen in die Höhe.
       
       Damals allerdings wandte sie sich auch noch klar gegen die Legalisierung
       von Marihuana, als das in Kalifornien erstmals zur Abstimmung stand. Heute
       gibt sie an, eine landesweite Legalisierung zu befürworten. Ist Harris
       lernfähig, wie ihre Unterstützer*innen sagen, oder einfach opportunistisch,
       wie Kritiker*innen meinen?
       
       Es ist nicht einfach, Kamala Harris eindeutig zu verorten. Gerade das macht
       sie manchen suspekt, aber für Biden interessant. Er kann nur gegen Trump
       gewinnen, wenn auch der progressive Flügel der demokratischen
       Wähler*innenschaft ihn unterstützt und – anders als 2016 – tatsächlich
       wählen geht. Er darf aber gleichzeitig nicht die Wechselwähler*innen in
       jenen Swing States abschrecken, die 2016 den Sieg für Trump garantierten.
       Mit Kamala Harris ist für alle etwas dabei: Der historische Schritt der
       ersten Schwarzen Frau als Vizekandidatin und sowohl progressive als auch
       neoliberale Aspekte in ihrer Karriere.
       
       Das mag, so ist zu hoffen, für die Wahl im November reichen. Aber Harris
       wird ja eine ganz andere Rolle zugedacht: Falls Biden, dem im Falle seiner
       Wahl bei Amtsantritt ältesten Präsidenten der US-Geschichte, etwas
       passiert, muss sie da sein und das Land führen. Und 2024, so die gängige
       Lesart, wäre sie in jedem Fall die logische Kandidatin der Demokrat*innen.
       Mithin also eine Art Parteichefin für die nächsten vier bis zwölf Jahre. In
       diese Rolle aber muss Harris erst hineinwachsen. Denn das verlangt deutlich
       mehr, als sich mal der einen, mal der anderen Position anzuschließen.
       
       12 Aug 2020
       
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