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       # taz.de -- Historischer Deal für Netanjahu: Kostenloser Friede
       
       > Die Annäherung zwischen Israel und den Emiraten zeigt: Der Frieden kostet
       > Jerusalem keine Zugeständnisse.
       
   IMG Bild: Das Rathaus in Tel Aviv leuchtet in den Farben der Vereinten Arabischen Emirate, 13. 8. 2020
       
       [1][Die „vollständige Normalisierung der Beziehungen“] zwischen Israel und
       den Vereinigten Arabischen Emiraten, die in einer gemeinsamen
       Absichtserklärung mit der US-Regierung am Donnerstag verkündet wurde, ist
       eine elegante Win-win-Situation für alle Beteiligten: Der israelische
       Regierungschef Netanjahu kann sich innenpolitisch mit einem historischen
       Abkommen rühmen, die US-Regierung tritt stolz als Vermittler für Frieden im
       Nahen Osten auf, und der Kronprinz von Abu Dhabi, Scheich Mohammed bin
       Zayed, erntet Glückwünsche: Er konnte die geplante israelische Annexion von
       Teilen der palästinensischen Gebiete stoppen.
       
       Obwohl die Absichtserklärung noch kein Friedensabkommen ist, steht bereits
       fest: Netanjahu hat das geschafft, was seine Vorgänger sich erträumt
       hatten. Er hat einen Weg zur Normalisierung der Beziehungen mit einem
       weiteren Teil der arabischen Welt gefunden, der von Israel keine echten
       politischen Zugeständnisse fordert. Die bisherige Prämisse, die
       Friedensgespräche mit den Palästinensern als kompromisslose Bedingung für
       die Normalisierung zwischen Israel und der arabischen Welt voraussetzte,
       gilt somit nicht mehr.
       
       Anders als 1979 beim Abkommen mit Ägypten, als Israel das Territorium der
       Sinai-Halbinsel aufgeben musste und im Gegenzug Frieden erhielt, ist die
       Logik heute eine andere: Die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate
       belohnen Israel für das Versprechen, die Annexion aufzuschieben. Der für
       Palästinenser*innen unerträgliche Status quo der israelischen
       Besatzungspolitik und die Blockade des Gazastreifens werden aber weiterhin
       schweigend gebilligt.
       
       Der palästinensischen Führung unter Mahmud Abbas, der die Vereinbarung als
       „Verrat an der palästinensischen Sache“ und „Aggression“ seitens der
       Vereinigten Arabischen Emirate verurteilte, wird einmal mehr ihre
       Machtlosigkeit auf der nahostpolitischen Bühne vorgeführt.
       
       ## Formalisierte Neuverpackung
       
       Was international als beispielloser diplomatischer Durchbruch gelobt wird,
       gibt sich bei näherer Betrachtung aber eher als formalisierte Neuverpackung
       der geopolitischen Realität zu erkennen, die bereits seit Jahren zwischen
       Israel und den Golfstaaten besteht. Lange Zeit galten diplomatische
       Beziehungen mit Israel als Tabubruch in der arabischen Welt.
       
       Dies hat sich im vergangenen Jahrzehnt schleichend geändert. Mit dem
       schiitischen Iran als gemeinsamen Feind im Hintergrund näherten sich Israel
       und die Golfstaaten, darunter auch die Vereinigten Arabischen Emirate, in
       der wirtschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit immer weiter an –
       nur wurden diese Beziehungen bis jetzt als offenes Geheimnis gehandhabt.
       
       Der Wirbel um die umstrittenen Annexionspläne der israelischen Regierung
       schuf nun das richtige Momentum für einen kreativen Kompromiss zwischen
       Israel, den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten: Ein von den USA
       manövrierter Deal, bei dem die Normalisierung mit den Vereinigten
       Arabischen Emiraten den [2][israelischen Annexionsplänen] vorgezogen wird.
       Ob und wie Netanjahu seine schwammig formulierten Annexionspläne
       tatsächlich realisiert hätte, ist zweifelhaft.
       
       ## Neuverhandlung der traditionellen politischen Kräfte
       
       Die Ironie: Durch ihre Politik der Normalisierung der Beziehungen mit
       Netanjahus rechter Regierung haben die Golfstaaten de facto einen
       Grundstein für die Annexionspläne der israelischen Regierung gelegt. Man
       signalisierte Israel jahrelang, dass tatsächlich alles kompromisslos zu
       haben ist: Es kann weiterhin seine Militärherrschaft über die
       palästinensischen Gebiete aufrechterhalten, schleichend mehr Land
       annektieren und trotzdem Akzeptanz und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit
       seinen arabischen Nachbarländern fortführen.
       
       Mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel heimsen die
       Vereinigten Arabischen Emirate nun den Ruhm dafür ein, die Annexion
       zumindest vorerst vom Tisch geräumt zu haben – dabei sind sie es, die durch
       ihre Normalisierungspolitik den Treibstoff für Israels Annexionspläne
       lieferten.
       
       Einer echten Lösung des Konflikts ist Israel mit diesem historischen
       Abkommen nicht nähergekommen – denn die würde ein Ende der Besatzung
       erfordern. Man hat es aber geschafft, die palästinensische Frage aus der
       geopolitischen Gleichung herauszunehmen. Für den Nahen Osten könnte dieser
       Schritt eine totale Neuverhandlung der traditionellen politischen Kräfte
       bedeuten. Wie diese aussehen wird, ist noch unklar. Laut Jared Kushner,
       Berater von US-Präsident Trump, sollen sich in den kommenden Tagen aber
       weitere arabische Staaten wie Oman und Bahrain den Vereinigten Arabischen
       Emiraten anschließen.
       
       14 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Klimchuk
       
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