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       # taz.de -- Berlins neuer Markenauftritt: Schluss mit lustig
       
       > Berlin wirbt künftig wieder mit einem Bären: Das neue Markendesign steht
       > auch für das Ende einer Epoche, in der alles möglich schien.
       
   IMG Bild: Zeigt Farbe und Zähne: der neue Bär
       
       Be Berlin – das war einmal. Seit Donnerstag hat die Stadt einen neuen
       Markenauftritt. Er besteht aus einem frisch gemachten Bären und dem in
       klaren Typen gesetzten Wort „Berlin“, plus – wenn gewollt – dem Satz
       #WirSindEinBerlin. Mehr Wirgefühl statt Individuum solle das ausdrücken,
       heißt es aus der Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters Michael
       Müller (SPD), die den Relaunch der Marke ausgeschrieben hatte. Berlin müsse
       man nicht mehr erklären durch einen Spruch, sagen die Touristenwerber von
       Visit Berlin. Schließlich, so die Agentur Jung von Matt, die den Auftritt
       entwickelt hat, stehe der Bär schon immer für Berlin und sei bekannt und
       beliebt.
       
       Das neue Markendesign steht auch für das Ende einer Epoche: die, in der
       alles möglich schien, wenn man nur wollte und sich auf Berlin einließ; die
       Zeit der Freiräume und der Neuerfindung des Konzepts Stadt, ein Ort der
       Selbstverwirklichung, deren Ergebnisse dann so wohltuend auf Berlin als
       Ganzes abfärbte. Letztlich war be Berlin nichts anderes als die
       marketingtaugliche Übersetzung von „Arm, aber sexy“, ein Bonmot des
       damaligen Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) aus dem Jahr
       2003.
       
       Schon 2008, als be Berlin eingeführt wurde, hatte die Stadt viel vom
       Sexappeal der Jahrtausendwende verloren; es reichte aber aus, um Tausende
       Kreative aus anderen westlichen Ländern hierherzulocken. Nun, 12
       beziehungsweise 17 Jahre später, finden die Angelockten keine Wohnungen
       mehr und auch keine Ateliers oder Brachen. Viele Kulturorte sind – jenseits
       von Corona – bedroht oder schon geschlossen, weil sie zu Premienimmobilien
       geworden sind, die sich als Büros höherpreisig vermarkten lassen. Es ist
       eng geworden in der Innenstadt, und wie Kultur und Kreativität am Stadtrand
       funktioniert, muss erst gelernt werden.
       
       Der neue Markenauftritt wirkt seriös, zwar nicht bierernst, aber eben auch
       nicht sexy oder jugendlich locker. Der Bär kann lachen, aber sicher hat er
       noch nicht verlernt, die Zähne zu zeigen. Berlin ist wieder kantig; nicht
       alle fühlen sich dabei willkommen. Das Gefühl der Offenheit ist
       abhandengekommen und das der Veränderlichkeit. Ein anderes Bonmot, diesmal
       von Karl Scheffler aus dem Jahr 1910, ist damit vorerst widerlegt. Die
       Stadt, die angeblich verdammt ist, „immerfort zu werden und niemals zu
       sein“, sie ist etwas geworden. Berlin in den 2020ern entspricht einem
       Menschen Ende dreißig.
       
       28 Aug 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Schulz
       
       ## TAGS
       
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