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       # taz.de -- Streit um das Kopftuch: Es ist noch lange nicht vorbei
       
       > Auch vor dem Bundesarbeitsgericht hat das Berliner Neutralitätsgesetz
       > keinen Bestand. Die SPD will den Kampf für das Kopftuchverbot
       > weiterführen.
       
   IMG Bild: Ärztin mit Kopftuch: dringend benötigte Fachkraft
       
       Nein, der Streit über Lehrerinnen mit Kopftuch ist auch nach dem Urteil von
       Erfurt nicht vorbei. Dort entschied das Bundesarbeitsgericht am Donnerstag,
       dass das Berliner Neutralitätsgesetz, das unter anderem LehrerInnen das
       sichtbare Tragen religiös-weltanschaulicher Symbole und Kleidungsstücke
       untersagt, in dieser Allgemeinheit gegen die Verfassung verstößt. Nur bei
       Vorliegen einer konkreten „Gefahr für den Schulfrieden“ könne dieses Verbot
       im Einzelfall gelten.
       
       Aber Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), die das Gesetz seit Jahren
       verteidigt, hat den Kampf noch nicht aufgegeben. „Wir werden die
       schriftliche Urteilsbegründung abwarten und dann prüfen, ob wir
       unsererseits Verfassungsbeschwerde einlegen“, sagte sie nach dem Urteil.
       
       So wird der Wunsch des grünen Koalitionspartners, das Gesetz zu ändern, wie
       es Justizsenator Dirk Behrendt nach dem Urteil noch für diese
       Legislaturperiode anmahnte, wohl unerfüllt bleiben. Und auch die Mahnung
       aus der Linkspartei, Scheeres müsse zügig sicherstellen, dass das Urteil
       bei Einstellungen und in den Schulen umgesetzt wird (S. 52), wird bis auf
       Weiteres ungehört verhallen. Scheeres wird noch ein Weilchen prüfen und
       überlegen – und dann ist Wahlkampf. Und nach der Abgeordnetenhauswahl im
       Herbst 2021 ist sie eh nicht mehr da – Scheeres will ja nicht mehr antreten
       – und eine neue Bildungssenatorin muss sich um das leidige Thema kümmern.
       
       Ohnehin wäre die Frage, wie ein novelliertes Gesetz aussehen sollte, das
       den Forderungen der Richter gerecht wird und dem die SPD inhaltlich
       zustimmen kann. Wenn man jahrelang behauptet hat, Lehrerinnen mit Kopftuch
       würden Religionskonflikte an Schulen befeuern, kann man nicht so einfach
       den Schalter umlegen und sie nun sang- und klanglos einstellen – jedenfalls
       nicht, ohne sich unglaubwürdig zu machen.
       
       Was man tun kann: die Zeit, die noch bleibt, bis auch Karlsruhe abwinkt
       oder die Wahl vorbei ist, nutzen und einen Blick auf die anderen
       Bundesländer werfen. Man wird feststellen: Nirgendwo sonst gibt es ein
       Gesetz, so streng wie in Berlin – aber teils gibt es anderswo schon lange
       Lehrerinnen mit Kopftuch, etwa in Hamburg. Wäre doch interessant, zu
       schauen, wie die so mit Religionskonflikten an ihren Schulen
       zurechtkommen. Vielleicht sogar besser als ihre ach so neutralen
       KollegInnen mit jüdisch-christlich-abendländischem Hintergrund?
       
       28 Aug 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Memarnia
       
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