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       # taz.de -- Nach Brand im Flüchtlingslager Moria: Merkels Angst vor ihrer Courage
       
       > Die Kanzlerin wird noch immer für ihre Flüchtlingspolitik von 2015
       > gelobt. Will sie dem gerecht werden, muss sie jetzt beherzt und ohne
       > Kalkül handeln.
       
   IMG Bild: Kind im vom Feuer zerstörten Lager Moria auf der Insel Lesbos
       
       Flammen und Schreie, Panik und Schmerz – was den Menschen im [1][Lager
       Moria auf der Insel Lesbos] geschehen ist, ist eine Katastrophe mit Ansage.
       Seit Monaten haben HelferInnen davor gewarnt, dass die Lage dort eskalieren
       könnte. Nun ist es passiert. Das Lager – für 2.800 Menschen geplant, aber
       mit mehr als 12.000 komplett überbelegt – ist abgebrannt.
       
       Die Menschen, unter ihnen Kinder und mit Corona Infizierte, sind nun
       obdachlos. Und [2][die Bundesregierung? Bietet Griechenland Hilfe an] und
       verweist auf eine gesamteuropäische Einigung, die es nicht gibt und nicht
       geben wird. Die Geflüchteten sind zum europapolitischen Spielball geworden.
       
       Es ist eine Schande, wie in Berlin getan wird, als könne man mit
       Telefonkonferenzen, neuen Wohncontainern und besserem Brandschutz zur
       migrationspolitischen Tagesordnung übergehen. Deutschland hat aktuell die
       EU-Ratspräsidentschaft inne, die Ratspräsidentin heißt Angela Merkel. Also
       jene Frau, die weltweit für ihre humane Haltung im [3][Flüchtlingssommer
       2015] gelobt wird. Nun, im Herbst 2020, ist aus dem Kanzleramt zu hören,
       man suche noch nach einer „soliden Lösung“.
       
       Für die Bundesrepublik Deutschland steht Moria ganz konkret für die Angst
       ihrer politischen VertreterInnen vor selbstbewussten Entscheidungen. Es gab
       und gibt die Bereitschaft einiger Bundesländer, Menschen aus Moria ins Land
       zu holen. Doch CSU-Innenminister Horst Seehofer hat ihnen das untersagt.
       Noch Anfang dieser Woche haben Parteien und Hilfsorganisationen unter dem
       Motto #WirHabenPlatz 13.000 Stühle auf die Rasenfläche vor dem Parlament
       gestellt. Reaktion aus dem Kanzleramt gegenüber: null.
       
       Das hat System. Erst vor anderthalb Wochen hat Angela Merkel in der
       Bundespressekonferenz auf die Frage nach Moria geantwortet: „Wenn sich in
       Europa herumspricht, dass alle Flüchtlinge, die jetzt zur Debatte stehen,
       von Deutschland aufgenommen werden, werden wir nie eine europäische Lösung
       bekommen.“ Im Übrigen ahne sie, dass die Unterbringung und Versorgung
       geretteter Minderjähriger auch vom Bund finanziert werden müsste. Das müsse
       man „gesamtgesellschaftlich abwägen“.
       
       Merkels unterkühlte Wortwahl erinnert an ihre Begegnung mit dem
       Flüchtlingsmädchen Reem Sawhil 2015. Der staatenlosen 15-Jährigen sagte die
       Kanzlerin damals, dass sehr viele Menschen Asyl beantragen und manche
       Asylbewerber, wohl auch sie, zurückgehen müssten. Dem weinenden Mädchen
       tätschelte sie die Wange. Fünf Jahre danach bezahlen die Geflüchteten, die
       sich jetzt gedulden sollen, das Zögern Europas mit ihrer Gesundheit – oder
       mit dem Leben.
       
       9 Sep 2020
       
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