# taz.de -- Lüftungskonzepte in Schulen und Corona: Ups, schon Herbst
> Den Bildungsministerien fällt auf, dass Lüften im Winter nicht
> funktioniert. Geld für teure Filteranlagen wollen sie aber nicht
> ausgeben. Und nun?
IMG Bild: Lüften als Coronaprävention funktioniert derzeit noch. Doch was passiert, wenn es wieder kalt ist?
Es ist schon erstaunlich. Die ganzen Sommerferien lang hätten die
Kultusministerien Zeit gehabt, über die Frage nachzudenken, wie der
„pandemiegerechte“ Unterricht eigentlich in der kalten Jahreszeit
funktionieren soll.
Genauer: wie das im Herbst und Winter mit dem wissenschaftlich dringend
empfohlenen [1][Dauerlüften der Klassenzimmer] gehen soll – immerhin die
einzige Hygienemaßnahme, die in den Klassenzimmern noch gilt seit dem
Schulstart. Masken tragen und Abstand halten haben die Kultusminister:innen
ja für unvereinbar mit dem Regelunterricht erklärt.
Aus guten Gründen übrigens. Im Umkehrschluss bedeutet das aber: ohne
regelmäßiges Lüften kein wirksamer Infektionsschutz. Sie wissen schon, die
Aerosole. Umso verwunderlicher, dass die Landesregierungen die
Lüftungsfrage bislang hinten angestellt haben.
Die jeweiligen Hygienekonzepte zum Schulstart schreiben zwar ein
regelmäßiges Lüften vor: Stoß- oder Querlüftung (auf keinen Fall die
wirkungslose Kipplüftung), am besten vor, nach und während des Unterrichts.
Und natürlich in den Pausen.
## Schwächen im Lüftungskonzept
Ach ja, ein „Lüftdienst“ wäre auch hübsch, meinetwegen auch eine
Luftgüteampel, die anzeigt, wie dringend gelüftet werden muss. Und die
Frequenz, na ja, da gibt es die [2][föderalismusimmanenten Ausschläge]: In
Niedersachsen oder Bremen soll alle 45 Minuten gelüftet werden, in
Rheinland-Pfalz alle 20 Minuten.
Doch in keinem Konzept steht, wie das Lüften – sagen wir – bei Minusgraden
aufrechterhalten werden kann. Die Empfehlungen, Schulstunden nach
Möglichkeit ins Freie zu verlegen, sind wohl unter dem Eindruck einer
heißen Sommerwoche als praktikabel befunden worden.
Doch nun, nach den ersten herbstlichen Tagen, dämmert wohl selbst den
Ministerien, dass ihr Lüftungskonzept Schwächen hat. Der in Rheinland-Pfalz
zuständige Staatssekretär kündigte gerade an, dass das Hygienekonzept für
die Wintermonate überarbeitet werden müsse.
Wie genau, weiß er selbst nicht. Man wolle dazu Schulträger, Virolog:innen,
Lehrer:innen und Schüler:innen an einen Tisch bringen. Aha. Nur eins steht
fest: Filteranlagen, die die Aerosolkonzentration in ungelüfteten Räumen
vermindern könnten, sind dem Ministerium zu teuer. Außer natürlich der Bund
würde finanziell aushelfen.
Noch gravierender sind die Versäumnisse in Nordrhein-Westfalen (das auch
schon angekündigt hat, keine „Unsummen“ für Luftfilter ausgeben zu wollen).
Dort weiß das Schulministerium noch nicht mal, wie viele Schulen aus
baulichen Gründen gar nicht ordentlich in ihren Klassenzimmern lüften
können.
## Historisches Vorbild
Vergangene Woche – einen Monat nach dem Schulstart – immerhin kündigte
[3][CDU-Landesvater Armin Laschet] an, bei den 5.500 Schulen im Land
diesbezüglich nachzufragen.
Man rechne damit, dass ein Prozent der Schulen von baulichen Mängeln
betroffen sind. Was die Opposition zu Recht bezweifelt – in einer
WDR-Umfrage im März berichteten 80 Prozent der befragten Schulleiter:innen
von baulichen Mängeln – und deshalb Laschets Lüftungskonzept am heutigen
Mittwoch im Landtag besprechen möchte.
Das ist erfreulich, kommt aber möglicherweise zu spät. Denn wenn die
Schulen nicht lüften können – weil die Fenster sich nicht öffnen lassen
oder weil es draußen schlicht zu kalt ist – und die Länder kein Geld für
Luftfilter ausgeben wollen, dann bleiben nur zwei Optionen: beim Thema
Mundschutz oder Abstandsregeln nachjustieren (was die Länder vermeiden
wollen) oder sich von der Geschichte inspirieren lassen.
Als vor etwa hundert Jahren die Tuberkulose in den USA wütete, gründeten
sich 65 Open-Air-Schulen. Krank soll auch im Winter übrigens niemand
geworden sein. Nicht bekannt ist, ob sich die Schüler:innen trotz Kälte
konzentrieren konnten.
10 Sep 2020
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## AUTOREN
DIR Ralf Pauli
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