URI: 
       # taz.de -- heute in hamburg: „Wir wissen sehr wenig über die Opfer“
       
       Interview Regina Seibel
       
       taz: Herr Artus, wie groß war das Leid der italienischen
       Militärinternierten im Kontorhausviertel? 
       
       Holger Artus: Es gab im Viertel drei Lager mit fast 1.500 Plätzen. Wir
       wissen aber leider viel zu wenig über das Leid. Wir wissen aus den
       Biografien der Toten, dass sie teilweise erschlagen wurden oder an
       Krankheiten starben. Das spricht für ein furchtbares Leid, wenn man sich
       vorstellt, dass Medizin nicht hilft. Über die Opfer wissen wir sehr wenig,
       auch wenn wir Recherchearbeit betreiben.
       
       Welche Aufgaben mussten die Zwangsarbeiter*innen denn verrichten? 
       
       Laut der Stadt Hamburg waren im Jahr 1945 57 Prozent von ihnen für die
       Schutt- und Leichenbeseitigung tätig. Etwas weniger als die Hälfte wurde
       also in Firmen eingesetzt. Die Wehrmacht ordnete die italienischen
       Militärinternierten bestimmten Nummern und Arbeitskommandos zu. In diesen
       Nummern war angegeben, in welchen Firmen die Zwangsarbeiter*innen arbeiten
       mussten. Welche Firmen hinter welcher Nummer stehen, wissen wir bis heute
       noch nicht. Ich habe insgesamt 60 Unternehmen in Hamburg gefunden, die
       Italiener*innen beschäftigt haben.
       
       Wie viele Zwangsarbeiter*innen gab es in Hamburg? 
       
       Seit Beginn des Krieges wurden in Hamburg 500.000 Zwangsarbeiter*innen
       eingesetzt. Darunter waren 12.000 italienische Militärinternierte. Ohne die
       wäre die Hamburger Kriegswirtschaft und die Infrastruktur völlig
       zusammengebrochen. In der Stadt hätte sicherlich nichts mehr funktioniert,
       hätte man diesen Ausbeutungsprozess nicht gehabt.
       
       Warum erinnert in Hamburg nichts an die Zwangsarbeit der
       Militärinternierten? 
       
       Vereinzelt gibt es schon verschiedene Erinnerungsorte, zum Beispiel im
       Wasserwerk auf der Insel Kaltehofe. Dort steht ein Mahnmal zur Erinnerung.
       Ansonsten ist das aber eher selten, was damit zusammenhängt, dass es
       zwischen Deutschland und Italien einen Streit gibt, ob noch eine
       Entschädigung kollektiver Art an alle Opfer zu erfolgen hat.
       
       Was will Ihre Initiative daran ändern? 
       
       Wir wollen es nicht bei dieser Kundgebung belassen, sondern es wird auch
       Folgeveranstaltungen geben, um zu klären, wie in Hamburg an die
       italienischen Militärinternierten als eine NS-Opfergruppe unter den
       Zwangsarbeiter*innen erinnert werden sollte. Wir sprechen dieses Thema an
       und werfen diese Frage wieder auf. Heute wird sogar der italienische
       Generalkonsul sprechen.
       
       Kundgebung zur Erinnerung an drei Zwangsarbeitslager im Hamburger
       Kontorhausviertel: 17.30 Uhr vor der Burchardstraße 11
       
       8 Sep 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Regina Seibel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA