URI: 
       # taz.de -- Erneute Demonstrationen in Belarus: Protest im Stresstest
       
       > In Belarus geht das Regime weiter gegen die Opposition vor. In deren
       > Reihen treten Meinungsunterschiede immer offener zutage.
       
   IMG Bild: Sonntag in Minsk: Trotz Warnungen haben erneut Zehntausende demonstriert
       
       Kiew taz | Erneut haben sich am Wochenende mehrere Zehntausend Menschen in
       den Straßen belarussischer Städte versammelt, um gegen Präsident Alexander
       Lukaschenko und für die Freilassung aller politischen Gefangenen zu
       demonstrieren. In der Hauptstadt Minsk waren die zentralen Straßen voller
       weiß-rot-weißer Flaggen.
       
       Auch diesmal hatte die Polizei im Vorfeld Härte gezeigt, verhindern konnte
       sie den „Marsch der Einheit“ am Sonntag aber nicht. Bereits am frühen
       Morgen waren in Minsk vier zentrale U-Bahn-Stationen gesperrt, Wasserwerfer
       und andere Polizei-Lkw standen gut sichtbar im Zentrum. Die
       Menschenrechtsgruppe Frühling-96 erklärte, mindestens 70 Demonstranten
       seien festgenommen worden. Laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax
       wurden mehrere Menschen verletzt, als Einsatzkräfte eine Kundgebung vor
       einer staatlichen Traktoren-Fabrik auflösen wollten.
       
       Bereits am Samstag hatten sich allein [1][in Minsk rund zehntausend Frauen
       am „Frauenmarsch für den Frieden“ beteiligt]. Am Abend zogen Hunderte von
       Gläubigen in einer Prozession, die an der zentralen Roten Kirche ihren
       Ausgang nahm, mit Kerzen und der Taschenlampenfunktion von Mobiltelefonen
       schweigend durch die Stadt.
       
       In den Tagen zuvor hatte die Polizei Dutzende KritikerInnen festgenommen.
       Besonders hart gingen die Sicherheitskräfte am Samstag gegen Studierende
       vor. Der Menschenrechtsorganisation Wjasna liegt eine Liste von 32
       Studierenden vor, die festgenommen worden sein sollen. Auf neun dieser
       Festgenommenen warte ein Gerichtsverfahren.
       
       Am Sonntag versammelten sich mehrere Dutzend Demonstrierende vor einer
       Haftanstalt in der Stadt Gomel und forderten die Freilassung von Tatjana
       Batschurnaja. Die alleinerziehende Mutter war am Freitag festgenommen
       worden, nachdem sie Unterschriften für den Mandatsentzug eines Abgeordneten
       gesammelt hatte.
       
       Unterdessen ist Olga Kowalkowa, Mitglied im Koordinierungsrat der
       Opposition und Weggefährtin der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin
       Swetlana Tichanowskaja, nach elf Tagen Haft entlassen und zur Ausreise nach
       Polen gezwungen worden. „Sie sind zu mir in die Zelle gekommen, haben mir
       eine Kapuze über den Kopf gezogen, mich in ein Auto gezwungen, mich auf den
       Rücksitz gelegt und weggefahren.“ Schließlich habe man sie an der Grenze zu
       Polen aussteigen lassen, zitiert die belarussische Nachrichtenagentur
       Belapan die Politikerin.
       
       Auch wenn es der belarussischen Opposition gelungen ist, 29 Tage in Folge
       gegen Lukaschenko zu protestieren, zeigt sich auch eine gewisse
       Enttäuschung. Man müsse sehen, zitiert das Portal belaruspartisan.by den
       Politologen Denis Meljanzow, dass es keinen landesweiten Generalstreik
       gegeben habe. Moskau stütze Lukaschenko und im Machtapparat zeigten sich
       keine Risse.
       
       Eine Parteigründung im Umfeld von Ex-Kandidat Viktor Babariko mache darüber
       hinaus deutlich, dass es in der Opposition gewisse
       Meinungsverschiedenheiten gebe. Diese könnten sich die Machthaber zunutze
       machen, indem sie die Opposition in gemäßigte und radikale Kräfte
       einteilten.
       
       ## Oppositionelle werden außer Landes gezwungen
       
       Für Meljanzows These spricht der Umstand, dass derzeit drei führende
       Persönlichkeiten des prowestlichen Spektrums der Opposition außer Landes
       gezwungen wurden: neben Tichanowskaja sind dies deren Mitstreiterin Olga
       Kowalkowa und der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Tadeusz
       Kondrusiewicz.
       
       Ganz anders Maria Kolesnikowa, die sehr präsent ist. Sie steht eher der
       russischen Regierung nahe und legt keine Eile an den Tag, die Krim nicht
       als russisch anzuerkennen. So hatte sich die Mitstreiterin von Babariko mit
       dem Satz „Die Krim ist De-facto-Territorium von Russland und
       De-jure-Territorium der Ukraine“ aus der Affäre gezogen, als sie zu ihrer
       Position zur Krim befragt wurde. Babariko selbst war lange
       Vorstandsvorsitzender der Belgazprombank, die dem russischen Konzern
       Gazprom gehört.
       
       6 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Weitere-Proteste-in-Belarus/!5712513
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Clasen
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Krisenherd Belarus
   DIR Belarus
   DIR Alexander Lukaschenko
   DIR Belarus
   DIR Schwerpunkt Krisenherd Belarus
   DIR Schwerpunkt Krisenherd Belarus
   DIR Schwerpunkt Krisenherd Belarus
   DIR Schwerpunkt Krisenherd Belarus
   DIR Schwerpunkt Krisenherd Belarus
   DIR Schwerpunkt Krisenherd Belarus
   DIR Belarus
   DIR Schwerpunkt Krisenherd Belarus
   DIR Schwerpunkt Krisenherd Belarus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Oppositioneller in Belarus: Wiktor Babariko vor Gericht
       
       Der Ex-Banker wollte bei der Präsidentenwahl im August 2020 Lukaschenko
       herausfordern. Nun ist er angeklagt wegen Korruption.
       
   DIR Belorussischer Musiker über Folter: „Ich bin ein Rock ’n’ Roller“
       
       Der belorussische Musiker Igor Bancer berichtet über die Protestbewegung in
       seinem Land. Im Gefängnis wurde er von der Polizei gefoltert.
       
   DIR AnarchistInnen über Belarus: „Ich hörte Schreie aus den Zellen“
       
       Die beiden belarussischen AnarchistInnen Nastja und Alexej sind in die
       Ukraine geflohen. In Minsk saßen sie nach einer Demo mehrere Tage im
       Gefängnis.
       
   DIR Protestbewegung in Belarus: Digital überrannte Diktatoren
       
       Diktatoren sind machtlos gegen dezentral organisierte Demonstrationen.
       Lukaschenko macht die Menschen höchstens nur noch wütender.
       
   DIR Oppositionelle in Belarus: Verwirrung um Maria Kolesnikowa
       
       Die Oppositionsführerin wurde nach Angaben des belarussischen Grenzschutzes
       festgenommen. Zuvor war die Rede davon, dass sie in die Ukraine ausgereist
       sei.
       
   DIR Belarussische Politikerin und Proteste: Maria Kolesnikowa ist verschwunden
       
       Die belarussische Oppositionsführerin soll verschleppt worden sein. Die
       38-Jährige galt in der Protestbewegung bislang als mäßigende Kraft.
       
   DIR Proteste in Grodno in Belarus: Eine Stadt wehrt sich
       
       In der als oppositionell geltenden Stadt Grodno gab es wieder viele
       Festnahmen. Die Oppositionsführerin Maria Kolesnikowa indes gilt als
       verschwunden.
       
   DIR Weitere Proteste in Belarus: Tausende Frauen gegen Lukaschenko
       
       Vier Wochen nach der Wahl in Belarus halten die Proteste gegen den
       umstrittenen Staatschef an. Wieder sind mehr als 40 Demonstrierende
       festgenommen worden.
       
   DIR Weibliche Proteste in Belarus: Blumen gegen Knüppel
       
       Frauenpower statt Schnauzbart: Im Protest gegen Lukaschenko entdeckt
       Belarus seine weibliche Seele – stark und hartnäckig.
       
   DIR Opposition in Belarus: Kein Konsens für danach
       
       Die Kritiker*innen von Präsident Alexander Lukaschenko sind sich nur einig,
       dass er wegmuss. Was dann? Vor allem Russlands Rolle ist strittig.