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       # taz.de -- Thunberg und Neubauer im Kanzleramt: FFF sauer über Frontfrauen
       
       > Das Treffen der Klimaaktivistinnen mit der Kanzlerin am Donnerstag sorgt
       > für heftige Kritik in der Bewegung. Einige Ortsgruppen distanzieren sich.
       
   IMG Bild: Nicht alle sind der Meinung der FFF-Frontfrauen: Luisa Neubauer (links) und Greta Thunberg
       
       Berlin taz | Es wirkt wie ein Alleingang der Frontfrauen: Greta Thunberg,
       Luisa Neubauer und Angela Merkel sind [1][am Donnerstag im Kanzleramt
       verabredet]. Von den Beteiligten dürfte ausgerechnet die Bundeskanzlerin
       diejenige sein, für die das Date am unproblematischsten ist. Neubauer und
       [2][Thunberg] dagegen bekommen Gegenwind aus der eigenen Bewegung.
       
       „Der Termin war überhaupt nicht abgesprochen“, kritisiert Konstantin
       Nimmerfroh von Fridays for Future Frankfurt. Die Basisgruppen seien erst
       wenige Tage vor der öffentlichen Bekanntmachung über das Treffen informiert
       und nicht nach ihrer Meinung gefragt worden. Für die basisdemokratisch
       organisierte Bewegung, in der zwar alle Ortsgruppen autonom agieren, aber
       große Projekte und strategische Entscheidungen langwierig abgestimmt werden
       müssen, ist das eigentlich ein No-Go. „Wir fühlen uns überrannt“, sagt
       Nimmerfroh der taz. Die Ortsgruppe wolle sich von dem Treffen distanzieren.
       
       Der offizielle Anlass für das Dreiertreffen ist [3][ein offener Brief], den
       Neubauer und Thunberg der Bundeskanzlerin überreichen wollen. Über 124.000
       Personen aus 50 Ländern haben unterzeichnet. Thunberg, Neubauer und die
       belgischen Aktivistinnen Anuna De Wever und Adélaïde Charliér, die am
       Donnerstag ebenfalls im Kanzleramt dabei sein werden, fordern die
       Regierungschef*innen der EU darin auf, umgehend Maßnahmen zur Eindämmung
       der Klimakrise zu treffen.
       
       Sie verlangen etwa den sofortigen Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen
       und fordern die EU auf, dafür einzutreten, dass „Ökozid“ als Verbrechen vor
       dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verfolgt werden kann. „Das
       mag vielleicht unrealistisch scheinen“, schreiben die vier Aktivist*innen.
       
       ## Brief war mit der Bewegung nicht abgestimmt
       
       „Aber noch viel unrealistischer ist es zu glauben, dass die Gesellschaft
       die Erderwärmung überleben wird, auf die wir zusteuern.“ Unterzeichnet
       haben unter anderem die Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai und
       Stars wie Billie Eilish, Shawn Mendes, Emma Thompson und Leonardo DiCaprio.
       
       Aber auch der Brief war mit der Bewegung nicht abgestimmt. „Wenn man den
       Brief als Schreiben der Privatpersonen Greta, Luisa, Anuna und Adélaïde
       versteht, ist das okay“, sagt Nimmerfroh. Aber als Teil einer
       basisdemokratisch organisierten Bewegung fühle man sich doch vor den Kopf
       gestoßen. Von dem Treffen im Kanzleramt verspricht er sich außerdem nichts.
       „Solche Treffen führen in der Regel zu nichts außer zu PR-Bildern“, sagt
       der Aktivist. Davon habe man in den letzten zwei Jahren ja schon viele
       produziert, aber gebracht habe das wenig.
       
       Wer auf den PR-Bildern zu sehen ist, ist eine weitere Frage, die unter den
       Ortsgruppen für Unmut sorgt. „Es ist schade, dass immer die gleichen Leute
       in der Öffentlichkeit stehen“, sagt der Kieler Fridays-Aktivist Ole
       Willerich. Schließlich teile nicht jeder in der Bewegung exakt die gleichen
       Ansichten, obwohl alle für dasselbe Anliegen kämpften. „Zweifellos macht
       Luisa gute Arbeit und hat viel Expertise“, sagt Willerich. „Aber durch
       dieses Ungleichgewicht in der Öffentlichkeit kommen andere, vielleicht auch
       radikalere Positionen, nicht zur Geltung.“
       
       ## Positives Signal, das von Merkel ausgeht
       
       Die Frankfurter und die Kieler Ortsgruppen sind nicht die Einzigen, die
       Kritik an dem Alleingang formulieren. Aber sie trauen sich, dies öffentlich
       zu tun. Gemeinsame Entscheidungen über Strategien und Ziele sind für die
       AktivistInnen ähnlich schwierig wie die Kommunikation nach außen. Selten
       kommentieren Ortsgruppen die Entscheidungen anderer Gruppen oder
       Einzelpersonen die Äußerungen von Sprecher*innen.
       
       Eine Aktivistin, die nicht mit Namen genannt werden will, kritisiert die
       Medienwirkung, die das Treffen hervorruft. „In der Öffentlichkeit bleibt
       ein positives Signal hängen, das von Frau Merkel ausgeht. Aber wir blicken
       jetzt auf zwei Jahre Bewegung zurück, in denen die Koalition nicht
       annähernd etwas gemacht hat, das uns dem 1,5-Grad-Ziel näher bringt. Man
       darf es nicht als Erfolg sehen, mit Frau Merkel zusammenzusitzen.“ Wie
       sinnvoll eine aktivistische Strategie sei, bemesse sich schließlich daran,
       ob Politiker*innen ihr Handeln entsprechend änderten – oder eben nicht.
       
       ## Nicht das erste Mal Ärger über Neubauer
       
       Es ist nicht das erste Mal, dass sich Mitglieder von Fridays for Future
       über Entscheidungen von Luisa Neubauer ärgern. Im vergangenen Jahr hatte
       die Aktivistin für ein Massenevent geworben, dass der Öko-Kondomhersteller
       Einhorn [4][im Berliner Olympiastadion veranstalten wollte].
       
       Nachdem das FFF-Deutschland-Logo schon auf der Kampagnen-Website stand,
       distanzierten sich mehrere Ortsgruppen von dem Event. Schnell wurde das
       Unterfangen umgelabelt in ein lediglich von der [5][Berliner Ortsgruppe]
       unterstütztes Projekt, der Neubauer angehört.
       
       Tadzio Müller, ein langjähriger Aktivist bei Ende Gelände und [6][Stratege
       der Klimagerechtigkeitsbewegung], hat einerseits Verständnis für die
       Entscheidung, ins Kanzleramt zu gehen – es passe zum bisherigen Kurs der
       Schüler*innen. „Fridays for Future sind es gewöhnt, die Mehrheit der
       Gesellschaft hinter sich zu haben. Das schafft ein gewisses
       Politikverständnis“, sagt Müller. Aber jetzt müsse die Bewegung über den
       Punkt, Mehrheiten hinter sich zu versammeln, hinausgehen. „Was bringt es,
       immer wieder zur nächsten Großdemo aufzurufen, wenn es keine politischen
       Konsequenzen hat?“, fragt er.
       
       Auch er hält ein Treffen mit der Kanzlerin nicht für zielführend. „Es ist
       ein Trugschluss zu denken, je mehr man mit einflussreichen Menschen über
       das Klima redet, desto mehr werden sie sich für den Klimaschutz einsetzen.“
       Die Schüler*innen müssten stattdessen radikalere Wege einschlagen – und in
       Kauf nehmen, dabei Unterstützer*innen zu verlieren.
       
       Aber ob die Aktivist*innen von Fridays for Future radikalere Wege überhaupt
       gehen wollen, darüber sind sie sich höchst uneinig.
       
       20 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Klimaaktivistin-trifft-Merkel/!5707345
   DIR [2] /Thunberg-und-Merkel-in-New-York/!5696007
   DIR [3] https://climateemergencyeu.org/
   DIR [4] /Politikfestival-12062020-Olympia/!5680521
   DIR [5] https://fridaysforfuture.berlin/
   DIR [6] /Fridays-for-Future-vs-Ende-Gelaende/!5688240
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Schipkowski
       
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