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       # taz.de -- Berlin will Bund-Länder-Gipfel zu Moria: „Nein“ ist keine Antwort
       
       > Berlins Innensenator will mit Bundesratsinitative und Krisengipfel den
       > Druck auf den Bund erhöhen, mehr Menschen aus Moria aufzunehmen.
       
   IMG Bild: Provisorisches Camp in Mytilini für die obdachlos gewordenen Flüchtlinge aus Moria
       
       Berlin taz | Auf allen Ebenen versuchen BerlinerInnen und
       BrandenburgerInnen, dem „Nein“ von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)
       zur Aufnahme einer größeren Zahl von Flüchtlingen aus Griechenland etwas
       entgegen zu setzen. Innensenator Andreas Geisel (SPD) schlug am Wochenende
       per Tagesspiegel einen Krisengipfel von Bund, Ländern und Kommunen vor.
       
       Gefragt sei ein abgestimmtes und schnelles Vorgehen, um das Leiden der
       Menschen in den griechischen Lagern zu beenden. „Der Bundesinnenminister
       muss sich mit den hilfsbereiten Ländern, Städten und Kommunen endlich an
       einen Tisch setzen.“ Geisel reist an diesem Montag nach Athen, um mit
       Vertretern der griechischen Behörden, des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR)
       und Hilfsorganisationen Einzelheiten auszuloten für die Aufnahme von
       Flüchtlingen über ein Landesprogramm.
       
       Mit der aktuellen Situation auf der Insel Lesbos, wo n[1][ach Bränden im
       Flüchtlingslager Moria] mehr als 13.000 Menschen obdachlos geworden sind,
       hat Geisels Reise zwar nichts zu tun, sie war schon länger geplant. Dennoch
       könnte sie den öffentlichen Druck auf die Politik erhöhen, endlich etwas
       für die Geflüchteten zu tun, hofft Georg Classen vom Flüchtlingsrat.
       
       „Geisel sollte fordern, dass in den griechischen Flüchtlingslagern
       wenigstens die Menschenrechte eingehalten werden“, sagte Classen am Sonntag
       der taz. Nach Medienberichten vom Wochenende geht die Polizei auf Lesbos
       teils mit Tränengas gegen Menschen vor, die gegen ihre erneute Internierung
       in einem Zeltlager demonstrieren oder in die Inselhauptstadt gehen wollen.
       „Man darf die Leute nicht in geschlossenen Lagern internieren, schon gar
       nicht in Corona-Zeiten“, so Classen. „Sie müssen umgehend evakuiert werden,
       runter von der Insel, am besten nach Deutschland.“
       
       Die Landesregierungen von Berlin und Thüringen haben schon vor Monaten
       Landesaufnahmeprogramme für Geflüchtete von den griechischen Inseln
       beschlossen. Berlin würde darüber gerne 300 Menschen, vorwiegend Kinder und
       alleinreisende Eltern, aufnehmen. Die laut Paragraph 23 des
       Aufenthaltsgesetzes notwendige Zustimmung des Bundesinnenministers
       verweigert Seehofer jedoch seit Monaten.
       
       ## Ein „Nein“ sei nicht hinnehmbar
       
       Der Senat wolle dieses „Nein“ nicht hinnehmen, so Geisel. Kommende Woche
       wolle man erneut einen Antrag in den Bundesrat einbringen, um den
       entsprechenden Passus zu ändern und das „Einvernehmen“ des
       Bundesinnenministers zu ersetzen durch „ins Benehmen setzen“. Seehofer
       selbst hatte nach der Zerstörung von Moria am Freitag angekündigt,
       Deutschland könne zusammen mit Frankreich 100 bis 150 Geflüchtete aufnehmen
       – was Geisel als „beschämend“ kommentierte.
       
       Der Republikanische Anwaltsverein (RAV) und der Berliner Flüchtlingsrat
       lobten am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung die klaren Worte Geisels
       und seine Ankündigung, das „Nein“ von [2][Seehofer zum
       Landesaufnahmeprogramm] nicht akzeptieren zu wollen. Eine zeitnahe Klärung
       in dieser Sache – sei es durch Gesetzesänderung, sei es durch eine Klage
       gegen den Bund, die Berlin ebenfalls schon angekündigt hatte – sei so
       jedoch nicht zu erreichen. In der aktuellen Notlage „ist schnelles und
       entschlossenes Handeln des Senats und der anderen willigen Bundesländer
       gefragt. Es müssen alle rechtlichen Möglichkeiten geprüft und sämtliche
       Spielräume genutzt werden.“
       
       In einem am Freitag veröffentlichten Diskussionspapier zeigen RAV und
       Flüchtlingsrat verschiedene Möglichkeiten auf, um auf Landesebene aktiv zu
       werden ohne auf das Einvernehmen Seehofers angewiesen zu sein. Dazu gehöre
       etwa die Zustimmung der Ausländerbehörde zum Familiennachzug in allen
       Fällen von AsylbewerberInnen aus Griechenland, ohne dass das Kriterium der
       Lebensunterhaltssicherung oder die humanitäre Aufnahme in Einzelfällen nach
       dem Aufenthaltsgesetz gegeben sein muss.
       
       ## 15.000 Euro Spendengelder
       
       Auch viele BerlinerInnen und BrandenburgerInnen wollen den Folgen der
       EU-Abschottungspolitik offenbar nicht länger tatenlos zusehen. Bei der
       Organisation „Wir packen's an“ aus Bad Freienwalde, die Hilfsgüter per
       Lastwagen in griechische Flüchtlingslager bringt, sind binnen weniger Tage
       rund 15.000 Euro an Spenden eingegangen, wie auf Facebook zu sehen ist.
       
       Die Organisation MS Mobile Seebrücke Berlin kündigte am Wochenende per
       Facebook „Tage der Empörung“ an, mit Kundgebungen an täglich wechselnden
       Orten wie dem ARD Hauptstadtstudio (Montag) oder der EU-Vertretung
       (Dienstag). Bei einer ersten Demo nach dem Brand hatten am vergangenen
       Mittwoch Abend gut 10.000 Menschen in Berlin die sofortige Evakuierung der
       Lager gefordert.
       
       13 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-dem-Brand-im-Fluechtlingscamp/!5711019&s=geisel/
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       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Memarnia
       
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