URI: 
       # taz.de -- Nach Putsch in Mali: Militärs gegen Zivilisten
       
       > Malis Militärjunta will wichtige Ämter in der Übergangsfrist behalten.
       > Die Protestbewegung ist empört.
       
   IMG Bild: Unterstützer der Armee demonstrieren zum Auftakt der Nationalen Konzertation in Mali
       
       Berlin taz | In Mali haben die Verhandlungen über die politische Neuordnung
       des Landes nach dem Militärputsch vom August eine Einigung hervorgebracht –
       und neuen Streit. Malis wichtigste zivile Protestbewegung lehnte am Sonntag
       das Ergebnis der „Nationalen Konzertation“ ab, die am Samstag zum Abschluss
       dreitägiger Beratungen aller politischen Kräfte eine „Übergangscharta“ für
       eine zivil-militärische Übergangsregierung in Mali erarbeitet und per
       Akklamation angenommen hatte.
       
       Damit bahnt sich vier Wochen nach dem Umsturz in Mali eine neue
       Konfrontation an: auf der einen Seite die Militärjunta CNSP
       (Nationalkomitee zur Rettung des Volkes) um [1][Oberst Assimi Goita], die
       das Land seit 18. August regiert; auf der anderen die Protestkoalition
       M5-RFP (Bewegung des 5. Juni / Sammlung der Patriotischen Kräfte), deren
       regelmäßige Proteste in Malis Hauptstadt Bamako zwischen Juni und August
       den [2][Sturz von Präsident Ibrahim Boubacar Keïta] befördert hatten.
       
       Die neue Übergangscharta sieht vor, dass ein vom CNSP zu benennendes
       Kollegium einen Übergangspräsidenten und dessen Stellvertreter ernennt. Der
       Präsident benennt einen Premierminister, der eine 25-köpfige
       Übergangsregierung führt. Dazu gibt es ein nach nicht näher definierten
       Kriterien zu designierendes Übergangsparlament aus 121 Mitgliedern, das als
       Legislative fungiert. Darin sollen CNSP und M5-RFP vertreten sein, ebenso
       zahlreiche andere politische und gesellschaftliche Gruppen.
       
       All diese Institutionen amtieren für 18 Monate mit folgenden Zielen:
       „Stärkung der Sicherheit auf dem gesamten Staatsgebiet; Förderung der guten
       Regierungsführung; Annahme eines sozialen Stabilitätspakts; Anschieben
       politischer und institutioneller Reformen; Organisieren von allgemeinen
       Wahlen.“ Präsident, Vizepräsident und die Regierungsmitglieder dürfen bei
       diesen Wahlen nicht antreten und müssen ihre Ämter damit nach 18 Monaten an
       gewählte Nachfolger abgeben.
       
       Dieses Verfahren entspricht ungefähr dem Übergangsmodell Sudans nach dem
       Sturz des dortigen Militärdiktators Omar Hassan al-Bashir im April 2019,
       mit einer kürzeren Laufzeit. Sudans Übergangszeit beträgt zwei Jahre; Malis
       Putschisten hatten anfangs sogar drei Jahre vorgeschlagen. Die in der
       Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) vereinten anderen
       Staaten der Region, die gegen Mali wegen des Putsches Sanktionen verhängt
       hatten, [3][drängten auf eine deutlich kürzere Zeit].
       
       ## Vizepräsident als heimlicher starker Mann
       
       [4][Die zivile Opposition] steht hinter diesem Schema, wirft den Militärs
       aber jetzt vor, sich selbst zu viel Macht darin zu geben. Bei der
       Nationalen Konzertation, so die am Sonntag verbreitete Erklärung des
       Bündnisses M5-RFP, sei mehrheitlich beschlossen worden, dass Präsident und
       Premierminister Zivilisten sein müssen – laut Charta ist der Präsident
       sowie der Vizepräsident jetzt aber „Zivilist oder Militär“, beim
       Premierminister gibt es keine Festlegung. Beim Vizepräsidenten präzisiert
       die Charta, er sei zuständig für „Verteidigung, Sicherheit und Neugründung
       des Staates“.
       
       Die M5-RFP spricht von einer „Beschlagnahme der Macht zugunsten des CNSP“
       und „verurteilt die Einschüchterungen und die eines anderen Zeitalters
       würdigen antidemokratischen und illoyalen Praktiken, gegen die sich der
       Kampf für den Wandel und die Neugründung richtete“. Das ist eine kaum
       verhüllte Drohung mit neuen Protesten.
       
       Nun richten sich alle Augen auf die Ecowas, die Malis Militärjunta ein
       Ultimatum gesetzt hatte, bis zum 15. September einen zivilen
       Übergangspräsidenten und Übergangspremier zu benennen. An diesem Tag soll
       in Ghana ein Mali-Sondergipfel unter Beteiligung der neuen Militärherrscher
       Malis stattfinden.
       
       14 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Anfuehrer-der-Militaerjunta-in-Mali/!5708407&s=mali/
   DIR [2] /Umsturz-in-Mali/!5708575/
   DIR [3] /Nach-dem-Putsch-in-Mali/!5704196/
   DIR [4] /Umsturz-in-Mali/!5703938/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
   DIR Mali
   DIR Assimi Goita
   DIR Bamako
   DIR Mali
   DIR Mali
   DIR Mali
   DIR Mali
   DIR Mali
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Entführungsopfer freigelassen: Malis prominente Geiseln frei
       
       Die Übergangsregierung von Mali hat am Donnerstagabend die Befreiung von
       Oppositionsführer Soumaïla Cissé sowie drei Europäer*innen bestätigt.
       
   DIR Neue Regierung in Mali: Jetzt fallen die Sanktionen
       
       In Mali bilden die herrschenden Militärs eine Übergangsregierung.
       Westafrika ruft zur Wiederaufnahme der Zusammenarbeit auf.
       
   DIR Junta-Chef in Mali: Lehrgang bei der Bundeswehr
       
       Die Bundesregierung bestätigt: Assimi Goita, Malis neuer Militärherrscher,
       ist ein alter Bundeswehrschüler. Er lernte in Deutschland 2008 und 2016.
       
   DIR Mali drei Wochen nach dem Putsch: Zuversicht und Unsicherheit
       
       Gut drei Wochen nach dem Staatsstreich werden die Entwicklungen in Malis
       Hauptstadt genau verfolgt. Trotz Anspannung gibt es viel Hoffnung.
       
   DIR Anthropologe über Putsch in Mali: „Nun entscheidet die Armee“
       
       Ein Staatsstreich von der malischen Zivilbevölkerung hätte breitere
       Unterstützung erfahren als der von der Armee, glaubt Bréma Ely Dicko.