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       # taz.de -- VW fünf Jahre nach Dieselskandal: China ist der Treiber
       
       > Volkswagen machte nach der Abgasaffäre trotz milliardenschwerer Ausgaben
       > kaum Verluste. Denn in China liefen die Geschäfte gut.
       
   IMG Bild: Produktion im Volkswagenwerk Chengdu
       
       Chinesen mögen keinen Diesel. Sie denken dabei an schmutzige Lastwagen, die
       laut rattern und dicke Rauchschwaden ausstoßen. Wenn sie sich einen Pkw
       zulegen, dann muss es mindestens einer mit Benzinmotor sein. Deswegen hat
       der Volkswagen-Konzern von Beginn an in keiner seiner Fabriken in Fernost
       Pkws mit Dieselmotor angeboten.
       
       2015 war das die Rettung. Nachdem in den USA bekannt geworden war, dass
       Deutschlands größter Autobauer die [1][Abgasreinigung von Millionen
       Dieselmotoren systematisch manipuliert] hatte, brach in den darauf
       folgenden Jahren der Umsatz weltweit ein: in Nordamerika um über 10
       Prozent, in Südamerika gar um mehr als ein Drittel. Und auch in Europa
       verlor VW kräftig Marktanteile.
       
       Der Konzern kam dennoch glimpflich davon. Denn in China hatte der
       Abgasskandal nur wenig Auswirkungen auf den Verkauf. Nicht einmal einen
       Imageschaden erlitt der Wolfsburger Konzern. Die Chinesen interessierten
       sich schlicht nicht für den Dieselskandal. Über drei Millionen Fahrzeuge
       lieferte VW im darauffolgenden Jahr an seine Kunden in der Volksrepublik
       aus, ein Plus von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
       
       Nach einem Rekordverlust von knapp 1,6 Milliarden Euro im Krisenjahr 2015
       fuhr der Konzern dementsprechend schon 2016 einen Gewinn von über 5
       Milliarden Euro ein. Jedes zweite Auto verkauft Volkswagen seitdem in
       China. 2017 konnte die Konzernführung trotz Rücklagen für Prozesskosten in
       zweistelliger Milliardenhöhe gegenüber ihren Aktionären gar eine
       Nettoliquidität von mehr als 25 Milliarden Euro vorweisen. „Obwohl wir in
       den letzten zwei Jahren durch die Dieselaffäre finanziell gelitten haben,
       sind wir solide aufgestellt“, verkündete der damalige VW-Vorstandschef
       Matthias Müller stolz.
       
       ## Hat der Abgasskandal die Energiewende beschleunigt?
       
       Dabei hatten Analysten 2015 noch kritisiert, die gut laufenden Geschäfte in
       China hätten überhaupt erst dazu beigetragen, dass VW nicht schon viel
       früher [2][auf neue umweltfreundlichere Technologien wie Hybrid oder
       E-Mobilität] gesetzt hatte, sondern weiter auf Verbrennungsmotoren. Solange
       der Absatz in Fernost stimmte, habe Europas größter Autobauer darin keine
       Notwendigkeit gesehen. Damit sei wichtige Entwicklungszeit verloren
       gegangen – so die Kritik. Tatsächlich machte etwa Toyota in dieser Zeit in
       China nicht so viel Geld, investierte aber kräftig in neue Antriebssysteme
       und ist heute führend in der Hybridtechnologie. Auch der Aufstieg des
       US-Elektroautobauers Tesla fällt in diese Zeit. VW hingegen habe an China
       zu gut verdient, lautete der Vorwurf damals.
       
       Diese Kritik teilt Ferdinand Dudenhöffer nicht. Er ist Gründer und Leiter
       des Instituts Center Automotive Research (CAR), das bis vor einigen Monaten
       noch der Universität Duisburg-Essen angegliedert war. Er bestätigt, der
       Abgasskandal bei VW habe die Wende hin zum Elektroauto beschleunigt. Doch
       das all die Jahre weiter brummende China-Geschäft habe überhaupt erst dazu
       beigetragen, dass die Kassen bei Volkswagen voll genug waren, damit die
       neue Konzernführung zunächst unter Matthias Müller, später dann unter
       seinem Nachfolger Herbert Diess, die gigantischen Investitionen in die
       Elektromobilität stemmen konnte. 33 Milliarden Euro will Volkswagen bis
       2030 in die neuen Technologien investieren.
       
       Hinzu kam, dass die chinesische Führung die Elektromobilität im eigenen
       Land seitdem massiv vorangetrieben und auch die ausländischen Autobauer
       dazu gezwungen hat, batteriebetriebene Autos herzustellen. Schon jetzt gibt
       es feste Quoten, wie viele Elektroautos jeder Autobauer in China herstellen
       muss. Hält er diese Produktionsquoten nicht ein, winken Strafen. Bis 2025
       soll ein Fünftel aller in China verkauften Fahrzeuge an der Steckdose
       aufladbar sein. Um Marktführer auf dem weltgrößten Automarkt der Welt zu
       bleiben, musste der Wolfsburger Konzern auf diese Vorgaben entsprechend
       rasch reagieren. „China ist ein Treiber und kein Bremser bei der
       Elektromobilität“, sagt Autoexperte Dudenhöffer.
       
       Anders als BMW und Daimler hält Dudenhöffer Volkswagen inzwischen auch
       wieder für konkurrenzfähig. Entscheidend sei eine eigene Elektro-Plattform,
       mit der keine Kompromisse eingegangen werden müssen, wie es bei umgebauten
       Verbrennern bis vor Kurzem der Fall war. Mit dem ID.3 und der MEB-Plattform
       habe VW eine gute Lösung gefunden, sagt der Branchenexperte. Jede
       Entwicklung könne konzernweit genutzt werden, so dass auch die VW-Töchter
       Škoda, Seat und Audi profitierten. Damit könne es Volkswagen auch mit Tesla
       aufnehmen. Die automobile Zukunft entwickelt sich in China, sagt
       Dudenhöffer. Und da sei VW mit seinen nun 33 Fabriken bestens aufgestellt.
       
       18 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Lee
       
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