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       # taz.de -- Politische Morde auf den Philippinen: Tödliche Jagd
       
       > Unter Präsident Rodrigo Duterte steigt die Zahl von Verbrechen an linken
       > Aktivist*innen. Menschenrechtler sprechen von einem „Krieg gegen
       > Dissens“.
       
   IMG Bild: Eine Demonstrantin trägt einen Schleier und zeigt so ihre Sympathie für ermordete Menschenrechtler
       
       Berlin taz | An dem offenen weißen Sarg in der Kirche von Cadiz-City auf
       der zentralphilippinischen Insel Negros hängt an diesem Mittwoch ein Plakat
       mit der Aufschrift: „Gerechtigkeit für Zara Alvarez“. Es ist der Leichnam
       der ermordeten Menschenrechtsaktivistin Alvarez, der hier zum
       Trauergottesdienst aufgebahrt ist.
       
       Bischof Gerardo Alminaza hat die Tote gesegnet, danach treten Angehörige
       und Freunde nacheinander mit Mundschutz an den Sarg. Sie verabschieden sich
       unter Tränen von der Toten und sie tragen weiße T-Shirts ebenfalls mit der
       Aufschrift „Gerechtigkeit für Zara Alvarez“ und ihrem Bild darauf. Bei der
       Übertragung im Internet ist zu erkennen, dass selbst die Leiche in ein
       Protestshirt gekleidet ist.
       
       Die 39-jährige alleinerziehende Mutter wurde am Abend des 17. August in
       Negros’ Hauptstadt Bacolod auf offener Straße mit mehreren Schüssen
       getötet. Sie hatte gerade Essen für sich und ihre elfjährige Tochter
       gekauft. Der Täter konnte unerkannt auf einem Motorrad fliehen und dürfte
       wegen des in solchen Fällen üblichen Desinteresses der Behörden nie gefasst
       werden. Straflosigkeit ist hier die Norm.
       
       Die frühere Lehrerin Alvarez hatte jahrelang in Negros für die linke
       Menschenrechtsorganisation Karapatan gearbeitet und sich auf dieser von
       Großgrundbesitzern dominierten Zuckerinsel für Kleinbauern und Landlose
       eingesetzt. Zuletzt arbeitete sie in einer Organisation für medizinische
       Grundversorgung. Seit Jahren erhielt sie Morddrohungen. Zwischen 2012 und
       2014 saß sie wegen einer fingierten Mordanklage unschuldig im Gefängnis,
       erst dieses Jahr wurde sie endgültig freigesprochen.
       
       ## Auf der schwarzen Liste
       
       Unter der seit 2016 amtierenden Regierung von Präsident Rodrigo Duterte
       setzte sie das Justizministerium dann aber mit mehr als 600 anderen auf
       eine schwarze Liste von „Terroristen und Kommunisten“. Damit war sie zur
       Staatsfeindin erklärt und zum Abschuss freigegeben worden. Die Betroffenen
       klagten gegen die Liste und bis auf zwei Namen mussten alle gestrichen
       werden.
       
       Weil Alvarez weiter bedroht wurde und dahinter staatliche Stellen
       vermutete, wurde sie zeitweilig von Freiwilligen begleitet. Sie beantragte
       auch gerichtlich Schutz, der ihr zunächst verwehrt wurde. Jetzt wurde sie
       vor der Berufungsverhandlung ermordet.
       
       An ihrem Todestag war in der Hauptstadt Manila gerade der linke
       Bauernführer und Friedensaktivist Randall Echanis zu Grabe getragen worden.
       Der 72-Jährige war am 10. August in seiner Mietwohnung von Unbekannten
       gefoltert und dann erstochen worden.
       
       Die Fälle Alvarez und Echanis sind nur die jüngsten und prominentesten
       Beispiele für [1][politische Morde] an linken AktivistInnen auf den
       Philippinen. Die Menschenrechtsorganisation Karapatan zählt seit Dutertes
       Amtsantritt 134 Morde an Menschenrechtlern, darunter 13 an Mitarbeitern
       Karapatans.
       
       ## Ermittlungen ohne Ergebnis
       
       Die offizielle staatliche Menschenrechtskommission, deren Mittel Duterte
       drastisch zusammenstrich und die er völlig marginalisiert hat, untersucht
       derzeit nach eigenen Angaben 89 Morde an Aktivisten seit 2017. Laut der
       Kommission wurden die Sicherheitskräfte, unter denen viele Täter vermutet
       werden, angewiesen, nicht mit ihr zu kooperieren. Regierung und Polizei
       dementieren das, ihre eigen Ermittlungen laufen aber ins Leere.
       
       Duterte hatte mit der seit 1969 aktiven maoistischen Guerilla
       Friedensgespräche begonnen, doch schon bald auf [2][Repression] gesetzt.
       Zugleich wurden in seinem 2016 ausgerufenen „Krieg gegen die Drogen“ bisher
       rund 30.000 Personen getötet, meist, weil sie sich als mutmaßliche
       Drogendealer angeblich gegen Festnahmen gewehrt hätten.
       
       Inzwischen sprechen Menschenrechtler von einem „Krieg gegen Dissens“, der
       sich gegen linke Kritiker richtet. „Die wiederkehrenden Drohungen gegen
       Aktivist*innen durch Duterte bilden einen Grundstein für ein zunehmend
       autoritäres und repressives Klima. Flankiert werden sie von Gesetzen wie
       dem Antiterrorgesetz, das die Auslegung von regierungskritischen
       Aktivitäten als Terror und ergo Repression erleichtert“, kritisiert das
       Aktionsbündnis Menschenrechte Philippinen.
       
       Darin sind mehrere deutsche Gruppen und Hilfswerke zusammengeschlossen. In
       Umfragen ist Duterte, der schon mal forderte, „Terroristinnen“ in die
       Vagina zu schießen, aber weiter beliebt.
       
       26 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /NGO-Bericht-ueber-getoetete-Naturschuetzer/!5613871
   DIR [2] /Pressefreiheit-in-den-Philippinen/!5692627
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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