URI: 
       # taz.de -- Online-Unterricht in Corona-Krise: Profiteure mit Schwachstellen
       
       > Mit dem Lockdown geht Unterricht endlich online – und digitale
       > Lernangebote etwa von Microsoft boomen. Doch die bringen nicht nur
       > Vorteile.
       
   IMG Bild: Im virtuellen Klassenzimmer: Schüler einer Grundschule in der US-Stadt Phoenix im August
       
       Berlin taz | Bewährungsprobe Corona: Apps, virtuelle Lernräume, Software
       und Plattformen für Mathe, Deutsch oder Sprachen sollten im Lockdown
       umgehend für alle Klassenstufen zur Verfügung stehen. Das wünschten sich
       Elternverbände und Lehrkräfte. Zur Freude von Firmen, die seit Jahren
       versuchen, digitale Angebote im Unterricht zu etablieren.
       
       Mit zu den größten [1][Anbietern im Bildungsbereich zählt Microsoft]. In
       der Pandemie hat der Konzern verschiedene Online-Fortbildungen
       zusammengestellt, die Lehrenden helfen sollen, den Unterricht digital zu
       gestalten – mit den konzerneigenen Produkten natürlich. Es gibt einen
       Leitfaden mit dem Titel „Vier Schritte zum Fernunterricht mit Teams“.
       
       [2][Teams] ist Teil des Pakets „Office 365“. Das stellt Microsoft für
       Schulen in einer Basisversion kostenlos zur Verfügung, nicht nur in
       Deutschland, sondern beispielsweise auch in den USA, Großbritannien, Mexiko
       oder Indonesien. Enthalten ist eine Software für Videokonferenzen und zum
       digitalen Zusammenarbeiten. Laut Microsoft nutzen mehr als 150 Millionen
       Schüler:innen, Studierende und Lehrkräfte die Konzerntechnologie für den
       virtuellen Unterricht oder für den Aufbau digitaler Lernplattformen.
       
       Aber auch kleinere Anbieter spüren die hohe Nachfrage. So registrierte
       [3][die Webseite Sofatutor] rund 1,5 Millionen Zugriffe in der Woche – rund
       viermal so viele wie vor dem Lockdown. Die Online-Lernplattform richtet
       sich an Schüler:innen von der Grundschule bis zum Abschluss. Es gibt
       Erklärvideos, Übungen, aber auch klassische Arbeitsblätter zum Ausdrucken
       und einen Hausaufgaben-Chat. Ähnlich funktionieren die Plattformen scoyo
       oder Anton.
       
       ## Beim Datenschutz mangelhaft
       
       Neben solchen Angeboten richteten zahlreiche Schulen selbst gehostete
       Lernräume ein, die den Austausch mit den Schüler:innen daheim fördern
       sollten. Genutzt wurden natürlich auch Youtube, Facebook und andere soziale
       Medien. Alle verstehen sich als Gewinner in der Pandemie und erhoffen sich
       mehr Akzeptanz für die Digitalisierung des Schulalltags.
       
       Aber der Schub rückt auch Schwachstellen in den Mittelpunkt.
       Microsoft-Teams bekam bei einem Ranking der Berliner
       Datenschutzbeauftragten von mehreren Videokonferenzdiensten eine rote Ampel
       verpasst. Die Liste der Mängel ist knapp zwei Seiten lang. Und auch der
       EU-Datenschutzbeauftragte warnte kürzlich vor dem Einsatz von
       Microsoft-Produkten und riet zu Alternativen „mit höheren
       Datenschutzstandards“.
       
       Aber: „Es geht auch im Marktmacht“, sagt Britta Schinzel, emeritierte
       Informatikprofessorin, heute im Vorstand des Forum InformatikerInnen für
       Frieden und gesellschaftliche Verantwortung. Schüler:innen gewöhnten sich
       schnell an die ihnen vorgesetzte Software – und wollten sie danach auch
       privat nutzen. Bei Microsoft wäre das „Microsoft 365 Family“, Kostenpunkt
       99 Euro pro Jahr. Geld, das nicht jede Familie hat.
       
       ## Digitalisierung auf politischer Ebene
       
       Björn Schießle von der Free Software Foundation Europe kritisiert mangelnde
       Mitsprachemöglichkeiten – von Schüler:innen und Eltern. „Wenn die Schule
       sich etwa für eine bestimmte Cloudlösung entscheidet, lässt sich da kaum
       etwas dran ändern.“ Und gerade, wenn etwa Leistungsbeurteilungen oder
       persönliche Aufsätze in der Cloud landeten, sei mangelhafter Datenschutz
       ein Problem. Zumal mit der Entscheidung für eine Software auch Fakten
       geschaffen würden.
       
       Schießle sieht weltweit die Länder im Vorteil, die sich früh um
       Digitalisierungsstrategien gekümmert haben. „Deutschland hat da viel
       verschlafen.“ Er fordert eine Lösung auf politischer Ebene: „Man darf das
       nicht auf die Schule oder einzelne Lehrer auslagern, sondern die
       Bundesländer sind es, die für nachhaltige, datenschutzkonforme Lösungen
       sorgen müssen.“ Politiker:innen, Ministerien müssten sich mit Themen wie
       Datenschutz und digitaler Souveränität auseinandersetzen und diese ernst
       nehmen, statt einfach auf die bekannten Lösungen von großen Anbietern zu
       setzen.
       
       Der Lockdown schaffte, was Bildungsexpert:innen seit Langem predigen:
       die Erkenntnis, dass [4][Deutschland bei Digitalangeboten in der Schule
       kläglich versagt] hat. Es mangelt an Soft- und Hardware, mancherorts fehlte
       gar WLAN für den Zugang zum Netz. Ob Corona die Bildungslandschaft
       nachhaltig digitalisiert hat? Plattform- und Softwareanbietern zufolge ist
       das keine Frage. Unabhängige Studien lassen aber noch auf sich warten.
       
       3 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Zoom-und-Microsoft-im-Corona-Aufschwung/!5678135
   DIR [2] /Digitales-Lernen-in-Corona-Zeiten/!5686062
   DIR [3] /Lernen-von-zu-Hause/!5674459
   DIR [4] /Lernen-zu-Hause/!5669207
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tanja Tricarico
   DIR Svenja Bergt
       
       ## TAGS
       
   DIR Schule und Corona
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Digitales Lernen
   DIR Microsoft
   DIR Medienkompetenz
   DIR Datenschutz
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Medienkompetenz von Lehrer:innen: Erstaunliche Vorstellungen
       
       In einer Studie wurden Lehrkräfte nach den Aufgaben von Medien befragt. Das
       Ergebnis: Ein überraschend großer Teil steht ihnen ablehnend gegenüber.
       
   DIR Digitales Lernen in Corona-Zeiten: Microsoft erobert die Schulen
       
       Bayerns Schulen können bald „Teams“ von Microsoft für Videokonferenzen
       nutzen. Datenschützern und der Open-Source-Community gefällt das nicht.
       
   DIR Zoom und Microsoft im Corona-Aufschwung: Digital unabhängig werden
       
       Angebote von Zoom und Microsoft boomen gerade. Für die Bildung sind vor
       allem Open-Source-Anwendungen besser.
       
   DIR Lernen zu Hause: Das Schul-Experiment
       
       Jahrelang war digitales Lernen für Lehrer:innen und Schüler:innen ein
       Randthema. Corona ändert das. Alle lernen digital. Geht das?