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       # taz.de -- Proteste in Belarus: Mehr als 200 Festnahmen
       
       > Die Polizei in Minsk ist erneut gegen Demonstrierende vorgegangen. Dort
       > hatten sich Hunderte trotz eines Demonstrationsverbots friedlich
       > versammelt.
       
   IMG Bild: Eine Begegnung bei den Protesten auf dem Unabhängigkeitsplatz in Minsk am Donnerstag
       
       Minsk dpa | Vor einer Sondersitzung der Organisation für Sicherheit und
       Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zur Lage in Belarus sind in Minsk
       massenhaft Gegner des autoritären Staatschefs Alexander Lukaschenko
       festgenommen worden. Die belarussische Sonderpolizei OMON ging in der Nacht
       zum Freitag in der Hauptstadt gegen friedliche Demonstranten vor. Die
       Menschenrechtsorganisation Wesna sprach von mehr als 200 Festnahmen –
       deutlich mehr als in den vergangenen Tagen.
       
       Zuletzt hatten sich die Sicherheitskräfte zurückgehalten. Festnahmen gab es
       nur noch vereinzelt – nachdem in den ersten Tagen der Proteste nach der
       umstrittenen Präsidentenwahl am 9. August fast 7.000 Menschen in
       Gefängnisse auf engstem Raum gesteckt worden waren. Die allermeisten kamen
       wenige Tage danach auch auf internationalem Druck hin frei.
       
       Präsident Lukaschenko hatte zuletzt ein konsequentes Vorgehen gegen
       Demonstranten angekündigt. Er werde damit fertig werden – egal, wie sehr
       seine Gegner versuchten, die Lage im Land zu destabilisieren, meinte er am
       Donnerstag. Am Abend kamen auch zahlreiche Journalisten vorübergehend in
       Gewahrsam.
       
       Die mit schwarzen Gesichtsmasken ausstaffierten Sicherheitskräfte kesselten
       den Unabhängigkeitsplatz im Zentrum von Minsk ein, wie ein Reporter der
       Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete. Dort hatten sich Hunderte
       Menschen trotz eines Demonstrationsverbots friedlich versammelt. Sie riefen
       „Freiheit!“ und „Hau ab!“.
       
       ## Vor allem Männer wurden in Gewahrsam genommen
       
       Vor allem Männer wurden in Gewahrsam genommen und in Gefangenentransportern
       weggefahren. Die OMON war mit großen grünen Mannschaftswagen ohne
       Nummernschilder in Hundertschaften angerückt. Mit Lautsprecherdurchsagen
       wurde vor der nicht genehmigten Demonstration gewarnt – und offen wegen der
       Teilnahme an der Kundgebung mit Gewalt gedroht.
       
       Zuvor hatte Russlands Präsident Wladimir Putin gesagt, auf Bitten von
       Lukaschenko eine Reserve mit eigenen Sicherheitskräften für den Fall eines
       Eingreifens in Belarus gebildet zu haben. Zum Einsatz komme sie aber nur,
       wenn „die Situation außer Kontrolle“ gerate, sagte der Kremlchef dem Sender
       Rossija 1. Im Moment gebe es aber keinen Bedarf dafür. Russland ist ein
       enger Verbündeter von Belarus.
       
       Auslöser der [1][Massenproteste] war die Wahl vor fast drei Wochen. Der als
       „letzter Diktator Europas“ verschriene Lukaschenko nimmt den Sieg bei der
       Abstimmung für sich in Anspruch. Das offizielle Ergebnis von 80,1 Prozent
       für ihn nach 26 Jahren an der Macht steht als grob gefälscht international
       in der Kritik.
       
       Mit der Lage in dem zwischen Russland und EU-Mitglied Polen gelegenen Land
       befasst sich am Freitag der Ständige Rat der OSZE. Das Gremium mit
       Vertretern aus 57 Staaten trifft sich auf Initiative des derzeit
       vorsitzenden Landes Albanien. Der albanische Premierminister Edi Rama wird
       zu dem Konflikt in Belarus und der möglichen Rolle der OSZE Stellung
       nehmen.
       
       ## Lukaschenko lehnt OSZE-Vermittlung ab
       
       Die Organisation hatte jüngst angeboten, zwischen Demonstranten und
       Regierung zu vermitteln. Belarus ist Mitglied der OSZE, der umstrittene
       Präsident Alexander Lukaschenko lehnt eine Vermittlerrolle bisher aber ab.
       In Belarus wurde ein Koordinierungsrat von der Demokratiebewegung
       gegründet, der einen friedlichen Machtwechsel in Belarus durch Dialog
       anstrebt.
       
       In Minsk war die Lage am Donnerstag angespannter als in den Tagen zuvor.
       Die Wut war groß, nachdem am Vorabend in der katholischen Kirche auf dem
       Unabhängigkeitsplatz [2][40 Minuten lang Menschen von den OMON-Kräften
       festgehalten worden waren]. Aus Protest gegen die Willkür rief die
       Demokratiebewegung in Belarus Gläubige aller Religionsgemeinschaften zur
       Kundgebung gegen den Polizeistaat auf. Hunderte Menschen waren am Abend dem
       Aufruf gefolgt. Sie sprachen laut Friedensgebete, als die Sicherheitskräfte
       einschritten.
       
       28 Aug 2020
       
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