# taz.de -- Demonstrationen von „Wer hat, der gibt“: Ungleichheit ist kein Naturereignis
> In Berlin und anderen Städten zieht das Bündnis „Wer hat, der gibt“
> Tausende auf die Straßen. Gefordert wird eine Umverteilung des Reichtums.
IMG Bild: Tausende Menschen beteiligten sich, wie hier in Hamburg, am Aktionstag „Wer hat, der gibt“
Berlin taz | „Anticapitalista“, schallte es am Samstagabend durch die
Straßen von Charlottenburg, wo die Parole bei so manchen PassantInnen für
Erstaunen sorgten. Die Demonstration unter dem Motto [1][„Wer hat, der
gibt“] zog mit etwa 1.000 TeilnehmerInnen vom Adenauerplatz über den
[2][funkelnden Kurfürstendamm] und seine Nebenstraßen und endete gegen 21
Uhr am Wittenbergplatz.
In der mit großer Verve vorgetragenen Eröffnungsrede prangerte der
[3][Theaterregisseur Volker Lösch] die ungleiche Reichtumsverteilung in
Deutschland an: „Ungleichheit ist kein Naturereignis, Ungleichheit ist
nicht abstrakt. Sie ist ideologisch und politisch gemacht. Es kommt in der
Geschichte ganz entscheidend auf Ideen und Ideologien an, und die sind
veränderbar.“ Unter dem Jubel der DemonstrantInnen fügte Lösch hinzu: „Der
Kampf für eine gerechte Gesellschaft ist noch lange nicht verloren.“
Der bunte Zug machte deutlich, dass es sehr unterschiedliche Vorstellungen
davon gab, ohne dass sich die TeilnehmerInnen zerstreiten müssen. Neben
Forderungen etwa nach der Wiedereinführung einer Vermögenssteuer wurden
immer wieder auch [4][Enteignungsforderungen] laut.
Im Block der MieterInnen und im großen anarchistischen Block richtete sich
die Wut etwa gegen das Büro der Briefkastenfirma Pears Global, die für die
Räumung der Neuköllner Kiezkneipe Syndikat verantwortlich ist, ebenso gegen
die Immobilienfirma Padovicz, die demnächst das [5][Hausprojekt Liebig 34
räumen lassen will].
## Leere im Millionärsblock
Viele DemonstrantInnen unterstrichen ihre Forderungen nach einer gerechten
Verteilung der Corona-Krisenkosten mit humoristischen Einlagen. Es gab
[6][Opern-Arien über Umverteilung des Quartiersmanagement Grunewald]; Kurt
Jotter, der schon in den 1980er Jahren das Büro für Ungewöhnliche Maßnahmen
gegründet hatte, präsentierte eine „Hai-Society“, die standesgemäß Sekt
ausschenkte. Für Millionäre, die sich freiwillig am Umverteilen ihres
Vermögens beteiligen wollten, wurde ein [7][eigener Block] mit eigenem
Transparent vorbereitet. Er blieb aber leer.
Während des Umzugs hielten zahlreiche Initiativen Redebeiträge. Dazu
gehörten MitarbeiterInnen des verdrängungsgefährdeten Geburtshauses Maja am
Arminplatz und Beschäftigte des von der Schließung bedrohten [8][Kinos
Colosseum im Prenzlauer Berg].
Es sei das Ziel der Demonstration gewesen, unterschiedliche Betroffene, die
sich gegen kapitalistische Zumutungen wehren, zusammenzubringen, erklärte
Bündnissprecher Martin Richter gegenüber der taz. Man habe zum Ausdruck
bringen wollen, dass in Zeiten von Corona „Abstand vom Profitdenken“
genommen werden muss.
Im Rahmen des Aktionstages gab es auch in Hamburg, Hannover, Flensburg und
Kaiserslautern Aktionen für eine solidarische Umverteilung von Reichtum.
Die größte Demo mit mehr als 2.000 TeilnehmerInnen zog dabei durch das
Hamburger Villenviertel Rotherbaum.
In einer Mitteilung verweis das neu gegründete Bündnis darauf, dass das
„Diktat der schwarzen Null“ schon bald zurückkommen werde und dann „der
Sozialstaat wieder einmal geschröpft“ werden wird: Für „Wer hat, der gibt“
soll es also weitergehen: „Die Gesellschaft wird noch lange mit den Folgen
der Coronakrise beschäftigt sein – wir stellen uns auf einen langen Kampf
ein.“
In Berlin werden die Themen Reichtumskonzentration und Umverteilung schon
in der kommenden Woche weiter diskutiert: Angekündigt ist ein Ratschlag zu
„Solidarischen Netzwerken in den Städten“ am Donnerstag und Freitag im
Jugendhaus Chip. Am Wochenende will das Blackrock-Tribunal die weltweit
agierende Kapitalgesellschaft unter die Lupe nehmen.
20 Sep 2020
## LINKS
DIR [1] https://werhatdergibt.org/
DIR [2] /Berlin-und-seine-Millionaerinnen/!5711202
DIR [3] /Der-Regisseur-Volker-Loesch/!5173376
DIR [4] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen-zulaessig/!5709972
DIR [5] /Raeumungstermin-fuer-die-Liebig-34/!5714623
DIR [6] /Protestoper-in-Berlin-Grunewald/!5707948
DIR [7] /Demo-fuer-Umverteilung/!5711203
DIR [8] /Demonstration-fuer-eine-Berliner-Kino/!5703085
## AUTOREN
DIR Peter Nowak
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