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       # taz.de -- Tod der US-Richterin Ruth Bader Ginsburg: RBG hinterlässt eine Lücke
       
       > Die US-Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsberg hatte schon vor ihrem Tod
       > den Status eines Popstars. Zu Recht: Sie war eine feministische Ikone.
       
   IMG Bild: In Zeiten des gesellschaftlichen Rechtsrucks war sie ein Hoffnungsschimmer
       
       Dieser Tage sind soziale Medien voll von Gifs, Memes und Zitaten von der
       [1][kürzlich verstorbenen Ruth Bader Ginsburg]. Ein häufig geteiltes
       lautet: „My mother told me to be a lady. And for her, that meant be your
       own person, be independent.“ Es trifft das Leben der Verfassungsrichterin
       auf den Punkt. Sie war nicht nur selbst eine unabhängige Frau, sie kämpfte
       auch für die Unabhängigkeit anderer.
       
       Das Ausmaß der Trauerbekundungen war nicht nur im Netz enorm. In der Nacht
       auf Samstag strömten Hunderte vor das Supreme-Court-Gebäude in Washington
       DC, legten Blumen nieder, zündeten Kerzen an und sangen „Amazing Grace“
       oder „Imagine“ von John Lennon. Bilder, die entstehen, wenn Popstars
       sterben – nicht eine Richterin.
       
       Doch RBG war mehr als nur die dienstälteste Richterin am Obersten
       Gerichtshof. Sie ist eine feministische Ikone. Ihr Leben lang gab sie
       Marginalisierten eine Stimme und verhalf ihnen zu ihrem Recht. In einer
       Zeit mit [2][Donald Trump als Präsident] und einem gesellschaftlichen
       Rechtsruck war sie ein Hoffnungsschimmer. Vor allem junge Frauen gehören zu
       den Fans: Sie tätowieren sich ihr Antlitz auf den Körper, kaufen Tassen und
       T-Shirts mit dem Gesicht der kleinen Frau mit der kantigen Brille. Die Doku
       „RBG“ und der Spielfilm „On the Basis of Sex“, die beide 2018 erschienen,
       verhalfen der Richterin endgültig zum Popstar-Status.
       
       Dabei ist RBG nicht erst seit Kurzem Feministin. Ihr ganzes Leben war ein
       Kampf für Gleichberechtigung. RBG wuchs als Kind jüdischer
       Einwanderer:innen in Brooklyn auf. Beim Jura-Studium in Harvard war sie
       eine von neun Frauen unter mehr als 500 Männern. Sie schloss das Studium an
       der Columbia University mit Bravour ab. Und das, obwohl sie sich nebenher
       um ihr Baby und ihren kranken Ehemann, Martin Ginsburg, kümmern musste –
       und auch noch seine Arbeiten schrieb.
       
       ## Sie kämpfte für Gleichberechtigung
       
       Es war nicht nur die hohe Arbeitsbelastung, die RBG das Leben erschwerte,
       sondern auch sexistischer Widerstand. Doch sie gab nicht auf, auch nicht
       als sie trotz Bestnoten keinen Job bekam oder schlechter bezahlt wurde als
       Männer. So unterrichtete sie 1963 als erste Frau an der Rutgers Law School
       und war in den 70ern die erste Frau, die einen Lehrstuhl an der Columbia
       Law School erhielt. Zeitgleich war sie führende Anwältin der
       Bürgerrechtsbewegung ACLU.
       
       Dort vertrat sie 1973 Sharron Frontiero, die bei der Luftwaffe arbeitete
       und auf das Recht auf Krankenversicherung und Wohngeld für ihren Ehemann
       klagte; Leistungen, die einer Frau eines männlichen Soldaten immer
       zugesprochen wurden. Was sie damals vor Gericht sagte, galt für sie immer:
       „Ich verlange keine Bevorzugung für mein Geschlecht; alles, was ich
       verlange, ist, dass unsere Brüder ihre Füße aus unseren Nacken nehmen.“
       
       Denn RBG war keine „Männerhasserin“, wie Kritiker:innen ihr gerne
       vorwerfen. Die Verfassungsrichterin kämpfte für Gleichberechtigung: für
       Einwander:innen, für Frauen, LGBTIQ Menschen. Seitdem sie 1993 von Bill
       Clinton als Verfassungsrichterin eingesetzt wurde, setzte sie sich als
       zweite Frau im Obersten Gericht für das Recht auf Abtreibung, die Ehe für
       alle oder gegen die Diskriminierung am Arbeitsplatz von Frauen ein. Sie
       wollte sowohl Männer als auch Frauen aus den Rollen befreien, die die
       Gesellschaft ihnen zu schreibt.
       
       Ein weiterer Spruch, der viel geteilt wurde, stammt nicht von RBG selbst,
       sondern von ihren Fans: You Can’t Spell the Truth without Ruth. Doch jetzt
       kann Ruth nicht mehr die Wahrheit sprechen. Wenn eine Ikone stirbt,
       hinterlässt sie eine Lücke. Diese hier wird schwer zu füllen sein.
       
       20 Sep 2020
       
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