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       # taz.de -- 75 Jahre Vereinte Nationen: Unzulänglich, aber unverzichtbar
       
       > Die Vereinten Nationen werden 75 und müssen reformiert werden. Dennoch
       > sollten ihre Leistungen nicht als selbstverständlich betrachtet werden.
       
   IMG Bild: Die Unterzeichnung der Uno-Charta 1945 in San Francisco
       
       Ist der Multilateralismus gescheitert? [1][Anlässlich des 75. Geburtstags
       der UNO] wird diese Frage häufiger gestellt als je zuvor. Tatsächlich gibt
       es scheinbar wenig Anlass zu feiern. Da passt es gut, dass eine große
       Jubiläumsfeier in New York wegen der Coronapandemie ohnehin nicht infrage
       kommt und die am Dienstag beginnende Generalversammlung nur virtuell
       stattfindet.
       
       Nach wie vor steht die Frage „Reform oder Kollaps“ der Weltorganisation im
       Raum, die bereits zu ihrem 50. Geburtstag aufgeworfen wurde. Zehn Jahre
       später begrüßte die Generalversammlung zwar eine Vorlage von
       Generalsekretär Kofi Annan mit 101 Reformvorschlägen. Doch davon haben die
       194 Mitgliedstaaten bis heute kaum zehn Prozent umgesetzt. Eine Reform des
       Sicherheitsrats, die über 90 Prozent der UNO-Mitglieder seit Langem für
       notwendig halten, scheitert nicht nur am Unwillen der drei großen
       Vetomächte USA, China und Russland.
       
       Auch Frankreich und Großbritannien sind nicht bereit, ihr Privileg auch nur
       einzuschränken, etwa durch Umwandlung ihrer beiden nationalen ständigen
       Ratssitze in Sitze für die EU, die deren Mitglieder dann im
       Rotationsverfahren wahrnehmen würden. Zudem haben vier der fünf Vetomächte
       seit Anfang des Jahrtausends durch gravierende Brüche und die Missachtung
       des Völkerrechts in Irak, auf der Krim und im Asiatischen Meer die UNO
       erheblich geschwächt und ihr Ansehen beschädigt. Hinzu kommen das nun schon
       neun Jahre andauernde Versagen des Sicherheitsrats im Syrienkrieg sowie das
       seit 2017 kooperationsunwillige und offen UNO-feindliche Verhalten
       [2][ihres – bislang noch – mächtigsten Mitgliedstaates USA].
       
       Doch bei aller verständlichen Bedrückung über das globale Chaos, die
       scheinbar machtlose UNO sowie ihre unzureichenden Reformen sollten ihre
       Leistungen und Erfolge nicht vergessen und übersehen werden. Ohne
       diplomatische Vermittlung durch die UNO wären in den letzten 75 Jahren noch
       mehr Konflikte zu Kriegen eskaliert, möglicherweise sogar unter Einsatz von
       Atomwaffen. Ohne die humanitären Organisationen der UNO wären Hunderte
       Millionen überlebender Opfer von Gewaltkonflikten und Naturkatastrophen
       nicht versorgt worden.
       
       Im Rahmen der UNO vereinbarten die Mitgliedstaaten zudem Tausende von
       Normen und Verträgen zu Menschenrechten und Völkerrecht, Rüstungskontrolle
       und Abrüstung, Sozial- und Arbeitsstandards sowie zu Gesundheits-, Arten-,
       Umwelt- und Klimaschutz. Die Weltorganisation ist trotz all ihrer
       Unzulänglichkeiten keineswegs überflüssig geworden. Und niemand hat bislang
       eine bessere und zugleich realistische Alternative präsentiert.
       
       22 Sep 2020
       
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   DIR [1] https://www.un.org/en/un75
   DIR [2] /US-Politik-im-UN-Sicherheitsrat/!5702495
       
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