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       # taz.de -- Klimabewegung und Utopie: Zum Glück haben wir gehandelt
       
       > Konnten wir schon 2035 eine klimaneutrale, gerechte, demokratische und
       > offene Gesellschaft erreichen? Ja, das war möglich. Ein Blick zurück aus
       > der Zukunft.
       
   IMG Bild: 2020 war es noch ein Versprechen in die Zukunft: Hauswand irgendwo auf der Welt
       
       Es ist September – im Jahr 2035. Wir können heute sagen: Wir haben es
       geschafft! Wir haben Deutschland klimaneutral gemacht. Wir haben das
       Schlimmste abgewendet, weil wir unter 1,5 Grad Erderhitzung geblieben sind.
       Aber das ist nicht alles. Wir mussten unsere Gesellschaft grundlegend neu
       denken – und wir haben die Chance ergriffen, sie gerechter, demokratischer
       und offener zu machen.
       
       [1][Als 2019 erstmals millionenfach Menschen mit Fridays for Future auf die
       Straßen gegangen sind], wehrten sich die alten Kräfte in der Politik mit
       allem, was sie hatten. Eine Front aus Politiker*innen und Lobbyist*innen
       aus der fossilen Industrie hatte über Jahrzehnte ein System aufgebaut, das
       den Reichtum für einige wenige privilegierte Menschen immer größer werden
       ließ, während die Allgemeinheit den Preis dafür zahlte. Als dann die
       Coronapandemie über uns hinwegfegte, begriffen immer mehr, dass unser altes
       System zerbrechlich war und unfähig, den Bedürfnissen der Menschen zu
       begegnen, ohne unsere Lebensgrundlage zu gefährden.
       
       Wir begannen, den Status quo zu hinterfragen, und so entwickelte sich ein
       breiter gesellschaftlicher Diskurs, wie wir die Zukunft gestalten wollen.
       Wir erarbeiteten einen klaren Plan – eine Vision für die Zukunft – der
       leiten sollte. Mit dieser Vision wurde die Bewegung noch stärker und
       lauter. Wir machten jede Wahl zur Klimawahl, wählten 2021 einen
       progressiven, jungen und diversen Bundestag, der die Neuausrichtung unseres
       Landes in die Wege leitete.
       
       ## Die Wirtschaft dient uns
       
       Wir wiesen große Konzerne in ihre Schranken und formten eine Gesellschaft,
       die für alle Menschen da ist. Durch die klare Zielsetzung, beim
       Wirtschaften die Menschenrechte zu erfüllen und gleichzeitig unsere
       planetaren Grenzen einzuhalten, schufen wir ein System, das intelligent auf
       unsere Bedürfnisse reagiert und Gerechtigkeit schafft. Wir merkten dabei,
       dass wir die ganze Zeit genug gehabt hatten, es nur falsch und ungerecht
       verteilt hatten. Heute muss kein Mensch mehr hungern – weder hier, noch
       sonst wo. Wir begannen, die Arbeit von Müttern, Lehrer*innen,
       Care-Arbeiter*innen und alle anderen sozialen Tätigkeiten wirklich
       wertzuschätzen. Heute dient die Wirtschaft uns – statt wir der Wirtschaft.
       
       Wir reformierten auch unser demokratisches System, sodass alle Menschen
       gleiche und weiterreichende Beteiligungsmöglichkeiten hatten. Mit [2][Hilfe
       von Bürger*innenräten] und der Digitalisierung haben wir die alten
       Machtverhältnisse weitestgehend zurückgedrängt und echte Demokratie
       geschaffen.
       
       ## Gemeinsam, glücklich, vielfältig
       
       Nach dem Prinzip der Subsidiarität werden Probleme heute dort gelöst, wo
       sie Menschen betreffen. Dabei haben wir auch gemerkt, dass wir zusammen und
       solidarisch viel erfolgreicher und glücklicher sein können. Deshalb ist
       unsere Gesellschaft heute von einem tiefen Respekt für andere geprägt. Wir
       gestehen es jedem Menschen zu, sich frei zu entfalten, und arbeiten
       gemeinsam daran, alte rassistische, sexistische, homophobe, transphobe und
       sonst wie diskriminierende Machtstrukturen abzubauen. In der Vielfalt liegt
       unsere Stärke.
       
       Natürlich spielte die Klimakrise in dieser Zeit eine große Rolle. In
       Deutschland forderten die Hitzesommer der 2020er Jahre viele tausend Tote.
       Ernten fielen aus, Wälder vertrockneten, das Grundwasser wurde knapp.
       Weltweit sorgte die Klimakrise für viele Millionen Geflüchtete und Tote.
       Hier zeigten wir uns selbstverständlich solidarisch und gingen unserer
       Verantwortung nicht länger aus dem Weg. Viele Menschen arbeiten heute in
       der Wiederherstellung der Ökosysteme hier und in den Teilen der Welt, die
       noch viel stärker getroffen wurden. So können wir uns halten, auch wenn es
       nicht immer einfach ist. Aber in Zeiten großer Bedrohung hat sich letztlich
       gezeigt, dass die Menschen zusammenrücken.
       
       ## Was wirklich zählt
       
       Blickt man heute zurück, muss man sagen: Zum Glück haben wir gehandelt.
       Erst, als wir schon fast in den Abgrund gerutscht waren, haben wir uns
       zusammengerissen und eine neue Welt für alle Menschen geschaffen. Eine
       Welt, die fortschrittlich, gerecht und offen ist. Eine Welt, in der Kunst,
       Kultur und das Zwischenmenschliche wie nie zuvor florieren können. Weil wir
       erkannt haben, was wirklich zählt.
       
       Vielleicht denkst du jetzt, das sind alles schöne Worte – unerreichbar.
       Aber ich sage dir: Wir können das zusammen schaffen. Wir brauchen nur den
       Mut, uns eine bessere Welt vorzustellen. Lass uns heute damit anfangen.
       Lass uns freitags für die Zukunft auf die Straße gehen!
       
       1 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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